Z Gastroenterol 2006; 44 - K52
DOI: 10.1055/s-2006-951241

Die aplastische Desmose als seltene Ursache für rezidivierende Ileuszustände bei einem jungen Patienten

E Biecker 1, J Trebicka 1, M Stolte 2, T Sauerbruch 1, F Lammert 1
  • 1Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Germany
  • 2Pathologisches Institut, Klinikum Bayreuth, Bayreuth, Germany

Fallbericht und Vorgeschichte: Der 24-jährige Patient wurde uns zur weiteren Diagnostik und Therapie bei rezidivierenden Ileuszuständen zugewiesen.

Als Säugling waren dem Patienten aufgrund einer Gangrän der Großteil des Dünndarms sowie das Coecum, Colon ascendens und ein Teil des Colon transversums entfernt worden. Differentialdiagnostisch wurde damals neben einem Volvulus ein M. Hirschsprung diskutiert. Intraoperativ zeigte sich bereits zu diesem Zeitpunkt eine Megazystis. In den folgenden Jahren stellte sich der Patient immer wieder mit rezidivierenden Subileuszuständen und Harnwegsinfekten bei atonem, weitem (Rest-)Dickdarm und Megazystis vor. Im Alter von 23 Jahren kam der Patient erneut mit einem Ileus zur Aufnahme. Der Dickdarm zeigte sich massiv dilatiert, so dass der noch vorhandene Rest des Colon transversums sowie das Colon descendens entfernt werden mussten. Am histologischen Präparat wurde die Diagnose eines M. Hirschsprung gestellt. Ein Jahr später machte eine erneute Ileussymptomatik eine Laparotomie mit ausgedehnter Adhäsiolyse und Anlage einer temporären kutanen Darmfistel nötig. Aufgrund des komplizierten postoperativen Verlaufs wurde der Patient in unsere Abteilung verlegt. Es zeigten sich die verbliebenen 40cm Dickdarm sowie die Harnblase extrem dilatiert und aton. Da wir Zweifel an der Diagnose eines M. Hirschsprungs hatten, ließen wir die OP-Präparate nochmals durch einen Experten (M.S.) befunden. Es wurde nun die Diagnose einer aplastischen Desmose des Colons gestellt. Für einen M. Hirschsprung fand sich kein Anhalt.

Diskussion: Klinisch wird bei bei der Kombination von dilatierten Colonabschnitten, einer Megazystis und rezidivierenden (Sub-)Ileuszuständen von dem “Megazystis Mikrokolon intestinalem Hypoperistaltiksyndrom“ (MMIHS) gesprochen. Typischerweise haben die betroffenen Patienten bereits als Säugling eine schwere Obstipation, eine Blasenentleerungsstörung sowie rezidivierende Harnwegsinfekte. Als Ursache für das MMIHS fand sich bei dem vorgestellen Patienten eine kongenitale aplastische Desmose. Diese ist histologisch gekennzeichnet durch ein Fehlen der Bindegewebsschicht zwischen den zirkulären und den longitudinalen Muskelfasern der Muskularis propria. Es resultiert ein Funktionsverlust der betroffenen glatten Muskulatur.