Z Gastroenterol 2006; 44 - K08
DOI: 10.1055/s-2006-951197

Konservative Therapie eines ausgedehnten kranialen Boerhaave-Syndroms

B Geißler 1, RE Feldmann Jr 2, J Wallner 1, K Egger 1, F Dotzer 1, H Lambertz 1, F Gesele 1, T Schweizer 1, HD Allescher 1
  • 1Klinikum Garmisch-Partenkirchen, Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians Universität München, Zentrum für Innere Medizin, Garmisch-Partenkirchen, Germany
  • 2Universitätsklinikum Heidelberg, Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Heidelberg, Germany

Fallvorstellung: Bis heute sind Ösophagusrupturen mit Eröffnung des Mediastinums eine Domäne der Viszeralchirurgie, eine konservative Behandlung ist bisher nur selten beschrieben. Eine 72-jährige Patientin ohne Vorerkrankungen und Dauermedikation stellte sich mit starken thorakalen Schmerzen nach massivem Erbrechen, zuletzt blutig, vor. Kardiopulmonal und abdominell keine Auffälligkeiten. LEU 17,3/nl, LDH 347 U/l, CRP 8,36mg/dl, EKG und Herzecho o.B.

Weitere Diagnostik: Die ÖGD ergab den Befund einer komplett rupturierten Ösophaguswand im mittleren Drittel (von 27–33cm ab Zahnreihe) mit freiem Einblick in das Mediastinum. Im Thorax-CT freie großflächige Perforation des mittleren Ösophagus mit lokalisierten, eher geringen Luftansammlungen bis kurz unterhalb der Carina. In Bildgebung und Histologie kein Hinweis auf ein Malignom.

Therapie: Die Patientin wurde 14 Tage über eine nasojejunale Sonde sowie einen ZVK ohne orale Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr ernährt. Sie erhielt 3×4g/d Piperacillin und 3×1g/d Combactam sowie hochdosiert Pantoprazol (2×40mg/d). Darunter keine Zunahme der Klinik und der Entzündungsparameter.

Ergebnis und Diskussion: 8 Tage nach Therapiebeginn wurden im CT noch minimale Luftblasen im Bereich des Mediastinums mit entzündlichem Randwall erfasst. Eine ÖGD nach 14 Tagen ergab schließlich den Befund einer verschlossenen Wandruptur im mittleren Ösophagus mit ca. 0,5–1cm breitem Fibrinbelag. Die Entzündungsparameter (initial CRP 19,6mg/dl, LEU 17,2/nl) normalisierten sich bis zur Entlassung (CRP 0,11mg/dl, LEU 5,5/nl). In der langfristigen Endkontrolle zeigte sich eine narbige Abheilung der Rupturstelle. Der hier vorgestellte Fall belegt die Möglichkeit einer konservativen Therapie auch einer ausgedehnten Ösophagusruptur bei Boerhaave-Syndrom ohne die Komplikation einer akuten Mediastinitis; durch strenge parenterale und jejunale Ernährung und Medikation kann es gelingen, Entzündungsreaktionen im Mediastinum einzudämmen. Der Verlauf dieses Falles zeigt, dass Patienten mit Ösophagusperforation nicht zwingend chirurgisch zu behandeln sind, sondern dass nach sorgfältiger Abwägung, intensivmedizinischer Überwachung und enger Kontrollen ein konservatives Vorgehen durchaus gerechtfertigt sein kann.

[Ösophagusruptur]

[Ösophagusruptur nach Behandlung]