Z Gastroenterol 2006; 44 - K05
DOI: 10.1055/s-2006-951194

Massiver Ikterus unter Interferon/Ribavirinbehandlung bei Hepatitis C: behandeln oder abbrechen? – eine genetische Antwort

K Deterding 1, H Wedemeyer 1, TO Lankisch 1, A Potthoff 1, M Bahr 1, MP Manns 1, CP Strassburg 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Hannover, Germany

Hintergrund: Die Behandlung mit pegyliertem Interferon (PEG-IFN) und Ribavirin (RV) ist Standardtherapie der chronischen Hepatitis C (HCV). Zu den gefürchteten Behandlungsfolgen zählen die Hepatitis-Exazerbation und Leberdekompensation. Ein Leberwertanstieg unter Therapie erfordert eine schwierige Entscheidung zwischen Abbruch oder riskanter Therapiefortsetzung.

Fallbeschreibung: Ein 22-jähriger Mann wurde mit chronisch replikativer HCV-Infektion Genotyp 2 (500.000 I.E./ml) zur Therapie vorgestellt. Seit der Kindheit waren rekurrierende ikterische Episoden bekannt. Blutbild und Gerinnung waren normal, ALT auf 82 U/l, Bilirubin auf 94µmol/l erhöht. Eine gewichtsadaptierte Kombinationsbehandlung mit 1µg/kg KG PEG-IFN-alpha2b und 1000mg Ribavirin wurde initiiert. Drei Tage später kam es zu massivem Ikterus ohne Allgemeinsymptome (Bilirubin 14.5mg/dl (normal bis 1.2), unveränderte ALT). Das konjugierte/unkonjugierte Bilirubin betrug 0.9mg/dl (normal bis 0.25)/13.6mg/dl (normal <0.9). Das trotz Ribaviringabe ungewöhnlich hohe unkonjugierte Bilirubin war Anlass zur M. Gilbert-Genotypisierung und ergab Homozygotie der UGT1A1*28-Bilirubin-UDP-Glukuronosyltransferase-Variante. Die HCV-Therapie wurde fortgesetzt. Bei persitierendem Ikterus normalisierten sich die Aminotransferasen nach 4 Wochen, die Virusreplikation verschwand nach 9 Wochen, was 1 Jahr nach Therapieende anhält.

Diskussion: Die ernste Komplikation einer schweren Hyperbilirubinämie unter PEG-IFN-Therapie führt meist zum Therapieabbruch. Anamnestisch, biochemisch und genetisch wurde ein M. Gilbert diagnostiziert, bei dem die Bilirubin-UDP-Glukuronosyltransferase-Aktivität ohne hepatozelluläre Schäden reduziert ist. 8% der Bevölkerung sind für diese Variante homozygot und werden bei Inflammation, Nahrungskarenz oder metabolischem Stress ikterisch. Trotz eines schweren Ikterus unter Therapie konnte bei diesem Patienten eine erfolgreiche antivirale Therapie durchgeführt werden. Wegen der hohen Frequenz dieser benignen genetischen Erkrankung sollte an die einfach zu stellende Diagnose durch Genotypisierung gedacht werden, um unnötige Therapieabbrüche mit der Verhinderung einer HCV-Remission zu vermeiden.