Z Gastroenterol 2006; 44 - K01
DOI: 10.1055/s-2006-951190

Pseudoobstruktion des Kolon mit Perforation als seltene Komplikation beim Guillain-Barré-Syndrom

TC Schmandra 1, B Richter 1, WO Bechstein 1
  • 1Johann Wolfgang Goethe-Universität, Klinik für Allgemein- und Gefäßchirurgie, Frankfurt, Germany

Einleitung: Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) stellt eine Krankheitsentität (Inzidenz 0.6–1.9 auf 100.000 Einwohner) dar, die durch eine akute, meist postinfektiös auftretende Polyneuritis mit multifokaler Demyelinisierung im peripheren Nervensystem gekennzeichnet ist. Meist imponiert sie mit symmetrischen aufsteigenden Paresen mit z.T. erloschenen Muskeleigenreflexen. In 35–50% liegt eine Hirnnervenbeteiligung, in 20–25% eine respiratorische Insuffizienz mit vegetativen Symptomen vor. Die Pseudoobstruktion des Kolon als Komplikation des GBS ist bekannt, tritt allerdings in weniger als 10% der Fälle auf.

Patient und Verlauf: Vorgestellt wurde uns ein 68-jähriger Mann auf der neurologischen Intensivstation, der im Anschluss an einen schweren grippalen Infekt das Vollbild eines therapierefraktären GBS mit schlaffer Tetraparese, bulbärer Symptomatik und respiratorischer Insuffizienz entwickelt hatte. Zeitgleich war es zur massiven Dilatation des gesamten Kolonrahmens im Sinne einer Pseudoobstruktion gekommen (coecaler Durchmesser: 11cm), die intermittierend mittels kolonoskopischer Dekompression und Legen von Darmrohren behandelt wurde. Bei der klinischen Untersuchung zeigte sich ein akutes Abdomen mit generalisierter Abwehrspannung, radiologischerseits war bereits freie Luft nachgewiesen worden.

Ergebnisse: Es erfolgte die notfallmäßige Laparotomie. Intraoperativ zeigte sich die vorbekannte Pseudoobstruktion des Kolon mit frischer coecaler Perforation, ein mechanisches Passagehindernis konnte ausgeschlossen werden. Es erfolgte die Anlage einer Kolostomie zur weiteren Dekompressionstherapie, die im weiteren Verlauf eine deutliche Entlastung des gestauten Dickdarms bewirkte. Eine systemische Behandlung mit Neostigmin wurde eingeleitet.

Schlussfolgerung: Das GBS kann mit einer Pseudoobstruktion des Kolons einhergehen. Die primäre Behandlung der Pseudoobstruktion ist konservativ und besteht in der systemischen Neostigmingabe mit kolonoskopischer Dekompression. Übersteigt der coecale Durchmesser 12cm steigt das Perforationsrisiko stark an. Da die Mortalitätsrate bis zu 40% betragen kann ist ein chirurgisches Vorgehen zu diskutieren.