Zentralbl Gynakol 2006; 128 - A64
DOI: 10.1055/s-2006-950564

Intraoperative Strahlentherapie des Mammakarzinoms – Derzeitiger Stellenwert

F Melchert 1, L Bauer 1, U Kraus-Tiefenbacher 2, F Wenz 2
  • 1Frauenklinik, Universitätsklinikum Mannheim
  • 2Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsklinikum Mannheim

Die Langzeitergebnisse der großen Mammakarzinomstudien, in denen brusterhaltende Operationsverfahren in Kombination mit anschließender Nachbestrahlung mit der radikalen Mastektomie verglichen wurden, haben äquivalente Ergebnisse bezüglich der Lokalrezidivraten und des Gesamtüberlebens bei insgesamt deutlich befriedigenderen kosmetischen Resultaten gezeigt, so dass sich die konventionelle Strahlentherapie der Restbrust nach brusterhaltender Operation heute – unabhängig von der Tumorgröße – immer an eine brusterhaltende Operation anschließen sollte. Bisher konnte keine Subgruppe analysiert werden, bei der gänzlich auf die Nachbestrahlung der Brust verzichten werden kann, dennoch stellt sich auch im Zuge der verbesserten Mammadiagnostik und des teilweise durchgeführten Mammakarzinomscreenings, durch das invasive Karzinome in zunehmend früheren Stadien erkannt werden, die Frage, ob auch bei sehr kleinen, risikoarmen Tumoren immer das ganze Brustgewebe bestrahlt werden muss, oder ob für selektionierte Patientinnen eventuell eine Teilbrustbestrahlung ausreichend sein könnte.

Als Methoden für die Teilbrustbestrahlung steht die Brachytherapie (Multi-Katheter oder Mammosite), die perkutane, konformale Teilbrustbestrahlung sowie die intraoperative Radiotherapie (IORT) zur Verfügung. Bei der IORT wird einzeitig während der Operation eine vergleichsweise hohe Bestrahlungsdosis auf das Tumorbett appliziert. Beim klassischen IORT Verfahren mit dem Linearbeschleuniger wird entweder der Patient während der Narkose steril in die Bestrahlungsabteilung gebracht oder ein konventioneller Linearbeschleuniger in den OP eingebaut. Fortschritte in der Medizintechnologie haben zur Entwicklung mobiler Beschleuniger bzw. Röntgengeneratoren geführt. Die Elektronenbeschleuniger Novac 7 und Mebtron unterscheiden sich im Handling und Gewicht deutlich vom Miniatur-Röntgengenerator INTRABEAM, welches am Universitätsklinikum Mannheim seit 2002 klinisch eingesetzt wird.

Die intraoperative Radiotherapie wird an unserem Klinikum entweder als Boostbestrahlung vor externer Strahlentherapie oder als alleinige Strahlentherapie im Rahmen der TARGIT Studie durchgeführt:

Allen Patientinnen, bei denen ein Mammakarzinom mit einer Größe von ≥2cm und/oder eine nicht rein-duktal-invasive Histologie diagnostiziert wurde, die aber dennoch brusterhaltend operiert werden können, wird im Rahmen einer interdisziplinären präoperativen Fallbesprechung eine IORT als vorgezogener Tumorbettboost vorgeschlagen. Die Nachbestrahlung verkürzt sich dann bei diesen Patientinnen um ca. 2 Wochen. Von der internationalen Studiengruppe wurden bisher 302 Patientinnen mit IORT als Boost behandelt, die Lokalrezidivrate lag nach einer medianen Nachbeobachtung von 25 Monaten bei 1,3%, die geschätzte Lokalrezidivrate nach 5 Jahren beträgt 2,6%.

Patientinnen mit Mammakarzinomen ≤2cm, rein duktal-invasiver Histologie und einem Alter ≥50 Jahre, werden in die internationale zweiarmige Multicenterstudie „ TARGIT „ eingeschlossen. Patientinnen in Arm A werden alleinig intraoperativ bestrahlt, Patientinnen in Arm B werden mit einer konventionellen externen Strahlentherapie über einen Zeitraum von knapp 6 Wochen behandelt. Bisher wurden 466 Patientinnen an 8 Zentren rekrutiert.

Die bisherigen Erfahrungen bzgl. der Nebenwirkungen an Haut und Unterhautfettgewebe sind gut. Bei den in unserer Klinik insgesamt bis Juni 2006 behandelten 178 IORT-Patientinnen traten unmittelbar postoperativ nur bei wenigen Patientinnen geringgradige Akutnebenwirkungen wie Erytheme, Wundheilungsstörungen und Hämatoserome auf. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 25 Monaten ist die am häufigsten auftretende Spätnebenwirkung eine kleinvolumige fibrotische Induration Grad 1–2 nach der LENT-SOMA-Klassifikation im Bereich des ehemaligen Tumorbettes. Höhergradige Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.