RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-2006-950509
Brauchen wir einen Kreißsaalführerschein?
Wir erleben zunehmend eine praxisfremde Ausbildung unserer jungen KollegenInnen, gerade auch im Hinblick auf die Vermittlung von praktischen Fähigkeiten im Kreißsaal. Früher lernte der Berufsanfänger die grundlegenden Abläufe eines Kreißsaals von den Hebammen, die Geburtsmechanik durch eigenes (mehrfaches) untersuchen des vorangehenden Teils und Kontrolle durch den anwesenden Oberarzt. Chefärzte führten gerne Zangenmanöver am Phantom durch und analysierten in der Frühbesprechung fetale Herzfrequenzmuster im CTG von den nächtlichen Geburten. Geduld, Ruhe und Besonnenheit im Geburtsverlauf bei der Indikationsstellung zeichnete den „guten“ Geburtshelfer aus. Der geburtshilfliche Pschyrembel von 1967 gibt Auskunft über die wichtigen Themen wie: Beckenuntersuchung, äußere und innere Untersuchung, Auskultation des Fetus, Höhenstand des Kopfes im Geburtskanal, Handgriffe; also manuell geprägte Geburtshülfe.
Seit dieser Zeit ist sehr viel passiert! In der präpartualen Diagnostik hat die Dopplersono-graphie die Abschätzung der fetomaternalen Plazentafunktion übernommen und führt nicht selten zur Sectioindikation. Sectio auf Wunsch der Patientin, zur Vermeidung einer Beckenbodeninsuffizienz, wegen Gemini, Beckenendlage, Kurz- oder Weitsichtigkeit, Angst vor Schmerzen, bessere Lebensplanung und life-Style etc. lassen die Sectiofrequenz in den Kliniken in die Höhe steigen.
Was muss heute ein Geburtshelfer an praktischen Fähigkeiten erlernen und von wem kann er das? Wer vermittelt die CTG- Beurteilung, die wir tagtäglich benötigen, um dem enormen forensischen Druck stand zu halten und unseren Patientinnen gerecht zu werden?
Ist die DRG-Codierung wichtiger als eine CTG-Beurteilung? Darf eine Erstgebärende mit Fetus in Beckenendlage vaginal entbunden werden? Je mehr Leitlinien verfasst werden, desto größer ist der Aufklärungs- und Diskussionsbedarf der Kollegen.
Der Kreißsaalführerschein wurde in Osnabrück in den letzten Jahren zweimal ganztägig mit jeweils knapp 100 Teilnehmern durchgeführt. Akademisch bekannte Kollegen/innen haben Standards und Leitlinien in Kurzvorträgen vorgestellt und diskutiert. Anschließend wurde in fünf Gruppenarbeiten am Phantom Geburtsmechanik, Schulterdystokie, Beckendlage und vaginal operative Verfahren manuell mit allen Teilnehmern praktisch durchgeführt. Mittels TED-Technik konnten alle Teilnehmer CTG-Verläufe nach dem FIGO-Score analysieren und mit den Ergebnissen von CTG-Experten vergleichen. Diese (nicht personenbezogene) Auswertung in der Gruppe erbrachte interessante Diskussionen zwischen Teilnehmern und Veranstaltern gerade bei suspekten Herzfrequenzmustern im Hinblick auf den weiteren Geburtsverlauf. Nach Auswertung der Fragebögen von den Teilnehmern erkannten wir den großen Wunsch aller Beteiligten nach praktischer Ausbildung, um in Ruhe zu lernen und zu diskutieren. Namhafte Referenten stehen dafür zur Verfügung.
Die nächsten Termine für den Kreißsaalführerschein, der in der Ärztekammer Osnabrück stattfindet, sind: 30. September 2006, 30. März 2007, 30. September 2007. Die Anmeldung erfolgt ausschließlich unter der Homepage: Kreisssaalfuehrerschein.de
Der Kursus ist auf ca. 80 Teilnehmer begrenzt.