Gesundheitswesen 2006; 68 - A102
DOI: 10.1055/s-2006-948658

Ratlose Patienten trotz Informationsflut? – Ergebnisse der Bremer Umfrage GESUNDHEIT!

A Post 1, G Marstedt 2, S Stroth 1, J Pfuhl 1
  • 1Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales, Referat Gesundheitsberichterstattung, Bremen
  • 2Universität Bremen, Zentrum für Sozialpolitik, Bremen

Hintergrund: Eine Stärkung der Patientensouveränität ist nur möglich, wenn Patienten gut informiert sind, z.B. über Krankheiten und Behandlungsalternativen, aber auch über die Qualität von Ärzten oder Krankenhäusern. Mittlerweile stehen zwar quantitativ viele Informationen zur Verfügung, aber es nicht bekannt, welche Informationen Patienten wirklich brauchen. Ziel: Aus Bevölkerungs- und Patientensicht sollte ermittelt werden, wer welche gesundheitlichen Informationen benötigt, welche Möglichkeiten hilfreich sind, Informationsdefizite zu beheben, welche Medien von (welchen) Patientengruppen als geeignet bewertet werden und wer diese Informationen bereitstellen soll. Methoden: Grundlage sind die Daten der Bremer Umfrage GESUNDHEIT! Zur Identifikation von Patientengruppen wurden in multivariaten Analysen neben sozialstatistischen Merkmalen auch andere Variablen wie z.B. Einstellungen und Erfahrungen mit der Gesundheitsversorgung einbezogen. Ergebnisse: Wer von einem gesundheitlichen Problem betroffen ist, findet es schwerer, Informationen zu erhalten, als wenn er hiervon nicht betroffen ist. Die Bewertung der Informationslage und die eigenständige Suche nach Informationen hängt weniger mit dem Bildungsabschluss zusammen als mit dem Alter: Menschen unter 60 Jahren haben einen höheren Informationsbedarf – und stellen auch diesbezüglich höhere Erwartungen an den Arzt. Sie wollen stärker in die Behandlung miteinbezogen werden (Shared Decision Making). Zu den wichtigsten Informationen, die Patienten brauchen, zählen Informationen über die Behandlungsqualität von Ärzten und Krankenhäusern. Dabei ist es den Patienten wichtig, dass die Informationen von unabhängigen Stellen vergeben werden. Bei der Bereitstellung von Informationen ist das Internet nicht für alle Bevölkerungsgruppen das geeignete Medium. Diskussion: Die Ergebnisse belegen ein hohes Interesse an gesundheitlichen Themen in der Bevölkerung. Sie weisen auch auf einen normativen Wandel hin: Viele Patienten wollen in gesundheitlichen Fragen nicht mehr nur auf den Arzt hören, sondern sich selbst aktiv einbringen. Eine differenzierte Analyse zeigt aber auch die Grenzen der aktiven Teilhabe. Schlussfolgerungen: Ärzte müssen sich zukünftig auf eine neue Rolle des Patienten einstellen, der mit höheren Erwartungen und eigenen Informationen in die Praxis kommt. Das Angebot nutzerfreundlicher Informationen über die Qualität von Leistungsanbietern sollte verbessert werden. Dabei sollten die Ansprüche und Fähigkeiten der unterschiedlichen Patientengruppen berücksichtigt werden. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf.