Die Frage, welchen Einfluss die Geschlechtszugehörigkeit auf Genese, Symptomatik, Verlauf und Therapie psychischer Erkrankungen hat, ist in den zurückliegenden Jahren zunehmend in den Fokus wissenschaftlichen Interesses gerückt. Es wird ein Überblick über den Stand der Forschung zum Geschlechtsunterschied bei der Schizophrenie gegeben, wobei sowohl biologische (hormonelle und genetische) sowie psychosoziale als auch methodische Faktoren diskutiert werden. Bei schizophrenen Psychosen sind deutliche Geschlechtsunterschiede nachweisbar. So zeigen Frauen nicht nur einen verzögerten Erkrankungsbeginn in jungen Jahren, sondern auch eine deutlich höhere Ersterkrankungsrate nach dem 45. Lebensjahr. Der Verlauf der Schizophrenie ist bei jungen Frauen günstiger als bei jungen Männern und älteren Frauen. Eine Erklärung für diese Befunde bietet insbesondere die Östrogenhypothese, die dem weiblichen Sexualhormon eine protektive Wirkung bei schizophrenen Erkrankungen zuschreibt. In diesem Zusammenhang muss aber auch Berücksichtigung finden, dass zumindest bei einer Gruppe der an Schizophrenie erkrankten Frauen Hypoöstrogenämie nachweisbar ist, die nicht allein auf eine Hyperprolaktinämie in der Folge einer Behandlung mit Antipsychotika zurückgeführt werden kann. Zunehmende Evidenz für die Östrogenhypothese könnte neue therapeutische Chancen für Frauen, möglicherweise aber auch für Männer mit Schizophrenie eröffnen. Allerdings sollten bei der geschlechtersensiblen Behandlung, Rehabilitation und Langzeitbetreuung psychisch Erkrankter, insbesondere schizophrener Patienten, auch psychosoziale Geschlechtsunterschiede etwa hinsichtlich des Hilfesucheverhaltens, der Krankheitsbewältigung und Compliance berücksichtigt werden, ebenso wie die verschiedenen Rollen der Geschlechter in Beruf, Partnerschaft und bezüglich Elternschaft.