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DOI: 10.1055/s-2006-948145
Diagnostik des chronischen Hustens
Einleitung/Leitlinien:
Die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Pneumologie hat 1989 und die Deutsche Gesellschaft für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie 1997 eine S1-Leitlinie bzw. einen klinischen Algorithmus zur Diagnostik von Reizhusten und Räusperzwang publiziert. Darüber hinaus gibt es von 1998 vom American College auf Chest Physicians einen so genannten Consensus Panel Report. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie hat im August 2004 eine Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit akutem und chronischem Husten publiziert (Kardos et al, Pneumologie 2004; 58: 570–602). Die folgenden Ausführungen basieren im Wesentlichen auf dieser Leitlinie. Die Stufendiagnostik nach Leitlinie bietet Gewähr für einen nicht zu frühen aber rechtzeitigen Einsatz invasiver Untersuchungsmethoden und optimiert hierdurch das Nutzen-/Risikoverhältnis. Die Einhaltung der logischen Reihenfolge der Untersuchung trägt zudem dazu bei, den Kostenaufwand zu optimieren.
Physiologie:
Husten ist eines der häufigsten Symptome in der Medizin überhaupt und in der Pneumologie insbesonders. Er ist gemeinsames Symptom zahlreicher primär bronchopulmonaler und einiger extrapulmonaler Erkrankungen. Der Husten kann produktiv und nicht produktiv (trocken) sein. In erster Linie ist der Husten ein wichtiger physiologischer Schutzreflex der Atemwege und ein sekundärer Reinigungsmechanismus des Bronchialsystems bei Schädigung (z.B. inhalatives Rauchen) oder aber Überforderung der mukoziliären Clearance-Mechanismen (z.B. durch extreme Rauch- oder Staubbelastungen, Aspiration etc.). Hustenrezeptoren befinden sich in den Atemwegen, im Lungenparenchym, im Bereich der Pleura, im Perikard, am Zwerchfell, im Oesophagus und im Magen. Von den Hustenrezeptoren ausgehend findet sich ein Reflexbogen mit einem afferenten Schenkel zum Hustenzentrum und einem efferenten Schenkel zu den Effektororganen Kehlkopf-, Brust- und Bauchmuskulatur. Der Hustenstoß selbst verläuft in vier Phasen: Schnelle Inspiration, Verschluss der Glottis für etwa 200 msec, Kontraktion der Exspirationsmuskulatur mit Anstieg des transbronchialen Druckes und expulsive Exspiration mit hohem Fluss (250 m/s). In der Regel wird als akuter Husten derjenige bezeichnet, der weniger als acht Wochen besteht und als chronischer Husten bei Beschwerden länger als acht Wochen.
Die Tabelle 1 (Kardos et al, Pneumologie 2004; 58:570–602) zeigt die wichtigsten Ursachen.
Tab. 1: Klinische Ursachen des Hustens und ihre Klassifizierung
*COPD: „chronic obstructive pulmonary disease“, chronisch obstruktive Lungenkrankheit |
|
Akut (<8 Wochen) |
Chronisch (>8 Wochen) |
Erkrankungen der Atemwege: |
Erkrankungen der Atemwege/der Lungen |
· Sinusitis |
· Asthma |
· Rhino- Laryngo- |
· COPD*: häufige Ursache |
Tracheobronchitis: meist virale |
· Bronchialkarzinom |
Infektion oder allergisch |
· Akute oder rezidivierende Aspiration |
· Asthma |
· Diffuse Lungenparenchymerkr. – |
· Aspiration: oft Kinder 1–3 Jahre |
Systemerkr. mit Lungenbeteiligung |
· Inhalative Intoxikation: Unfälle, Brände |
· Seltene lokalisierte Erkrankungen des Tracheobronchial Systems |
· Postinfektiöser Husten |
· Reactive Airways Dysfunction Syndrome (RADS) |
Erkrankungen der Lungen/Pleura |
· Vocal Cord Dysfunction (VCD) |
· Pneumonie |
Infektionskrankheiten |
· Pleuritis |
· Tuberkulose |
· Lungenembolie |
· Pertussis |
· Pneumothorax |
Kardiale Erkrankungen * |
Extrapulmonale Ursachen: |
· Chr. Linksherzinsuffizienz |
· Akute Linksherzinsuffizienz |
· Endokarditis |
· Bradykardie mit AV Block II, III |
Chronisch persistierender Husten (CPH) |
Die häufigsten Gründe überhaupt für einen Husten sind sicher die so genannten banalen Infekte, die akute Bronchitis, das Asthma bronchiale, die COPD und das sinubronchiale Syndrom sowie auch der gastrooesophageale Reflux mit und ohne rezidivierende Mikroaspirationen. ACE-Hemmer sind mit Abstand die häufigste medikamentöse Ursache für den chronischen Husten. Sie blockieren den Abbau von Bradykinin und Substance P sowie Prostaglandinen in der Bronchialschleimhaut. In der Literatur werden Zahlen zwischen 0,2 und 33% (realistisch erscheint allerdings eine Häufigkeit von 10% bei Frauen und 5% bei Männern) für diese Nebenwirkung genannt. Auch Betablocker können einen Husten induzieren oder verstärken. Unter anderem reduzieren Betablocker die mukoziliäre Clearance. Unter der Therapie mit Amiodaron (Antiarrhythmikum) und einer Behandlung mit Methotrexat (zur Immunsuppression z.B. bei der rheumatoiden Arthritis) kommt es gelegentlich zu einer Alveolitis, deren frühesten Symptome Husten und Belastungsdyspnoe sind. Für zahlreiche andere Medikamente ist zumindest in Form von Kasuistiken die Auslösung von Husten beschrieben. Unter http://www.pneumotox.com können aktuelle Informationen und Literatur gefunden werden. Auch bei so genannten Systemerkrankungen findet sich gelegentlich Husten als Frühsymptom. Hierzu gehört natürlich auch die Sarkoidose, bei der es neben dem Parenchym- und Lymphknotenbefall fast regelhaft auch zu einem Befall der Bronchialschleimhaut kommt. Darüber hinaus lässt sich bei der Sarkoidose etwa in einem Drittel aller Fälle eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität nachweisen. Beim Morbus Wegener können ebenfalls die oberen und unteren Atemwege in den vaskulitisch-granulomatösen Entzündungsprozess einbezogen sein. Gleiches gilt für Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. Gelegentlich findet man bei diesen beiden Erkrankungen bronchiale Stenosen, Bronchiektasien oder auch eine Bronchiolitis als Ursache für den Husten. Beim Lupus erythematodes, der systemischen Sklerodermie und dem Morbus Sjögren bzw. dem Sjögren-Syndrom (Sicca-Syndrom) ist der Husten in der Regel Ausdruck einer pulmonalen Beteiligung dieser Kollagenosen. Bei den Infektionserkrankungen als Ursache für einen Husten muss immer auch an eine Tuberkulose und bei Kindern und Erwachsenen auch an einen Keuchhusten gedacht werden.
Bei den kardialen Ursachen muss vor allem an eine akute und chronische Linksherzinsuffizienz („Stauungshusten“, „Asthma cardiale“) gedacht werden. Daneben allerdings kommen auch die Endokarditis und die so genannten septischen Embolien als Ursache für einen Husten in Frage. Die Lungenembolie führt in der Akutsituation bei etwa 50% aller Patienten zu Husten.
Diagnostik:
Auch wenn eine klare Trennung zwischen akutem und chronischem Husten nicht immer möglich ist, so ist diese Unterscheidung für das diagnostische Vorgehen zumindest hilfreich. Wie fast immer in der Medizin kommt einer sorgfältigen Anamnese besondere Bedeutung zu. Dies setzt natürlich die Kenntnis der pathophysiologischen Zusammenhänge und aller möglichen Ursachen eines Hustens voraus. Die Abb. 1 und 2 zeigen den von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie in Ihrer Leitlinie vorgeschlagenen Algorithmus zur Abklärung eines primär unklar erscheinenden Hustens. Natürlich kann bei einer begründeten Verdachtsdiagnose und eben entsprechenden anamnestischen Hinweisen von diesen Algorithmen abgewichen werden. Andererseits beruhen die Algorithmen auf evidenzbasierten Daten.
Neben der Anamnese kommt natürlich auch der sorgfältigen klinischen Untersuchung eine besondere Bedeutung zu. Anamnese und klinische Untersuchung sind nicht nur häufig zielführend, sondern auch die preiswertesten Untersuchungen (in unserem Gesundheitssystem allerdings auch wenig „gewinnbringend“). Die Bedeutung des Zusammenspiels zwischen umfangreichen Kenntnissen, Anamnese und klinischer Untersuchung wird am Beispiel eines Fremdkörpers im Gehörgang deutlich, der dort zur Ursache eines Hustens werden kann, weil der afferente Schenkel des Nervus vagus über den Ramus auricularis auch den Gehörgang sensibel versorgt.
Der Virusinfekt ist wohl die häufigste Ursache des akuten Hustens. Nach Abklingen des akuten Infektes bleibt allerdings nicht selten bis zu acht Wochen oder sogar länger ein Husten bestehen. Grund hierfür kann eine infektinduzierte bronchiale Hyperreagibilität oder aber auch eine anhaltende Störung der mukoziliären Clearance sein (auch beschrieben für Mykoplasmen und Chlamydien). In der Regel reicht beim akuten Husten zur Diagnostik schon eine gute Anamnese und klinische Untersuchung.
Eine der wichtigsten und häufig übersehenen Differentialdiagnosen des akuten Hustens ist sicher die Lungenembolie bzw. die kleinen rezidivierenden Lungenembolien, die mit wenig Symptomen einhergehen. In diesen Fällen ist das konventionelle Röntgen Thoraxbild praktisch nie Richtung weisend und auch die Spirometrie ist natürlich unbeeinflusst von dieser Erkrankung. Selbst in der kapillären Blutgasanalyse findet man häufig nur geringe Zeichen einer Hyperventilation (zum Ausgleich der Hypoxämie). Dieses Beispiel zeigt, dass auch der Algorithmus zur Abklärung des akuten Hustens nicht perfekt ist und weiterhin der ärztlichen Sorgfalt und Erfahrung eine besondere Bedeutung zukommen.
Abb. 1: Klinischer Algorithmus zur Diagnostik des akuten Hustens* und **: Der Husten kann nach Abklingen eines akuten Infektes bis zu acht Wochen persistieren (postinfektiöser Husten) (Evidenzgrad 3a). Falls keine besonderen Symptome (Hämoptoe, Atemnot, reduzierter Allgemeinzustand) bestehen, sind weitere Untersuchungen erst nach acht Wochen nach dem Algorithmus für den klinischen Husten erforderlich (Box 16) (Empfehlungsgrad B)
Der Algorithmus zur Abklärung des chronischen Hustens ist insgesamt komplizierter. Die technischen Untersuchungsverfahren nehmen hier einen größeren Raum ein. Hierzu gehört natürlich das Röntgen-Thoraxbild in zwei Ebenen, eine Spirometrie oder besser eine Bodyplethysmographie und natürlich auch der Hyperreagibilitätstest (Provokation mit Charbachol, Histamin oder Metacholin). Darüber hinaus ergeben sich beim chronischen Husten entsprechend dem Algorithmus in Abb. 2 auch Indikationen für die hochauflösende Computertomographie und die Bronchoskopie (ggf. mit bronchoalveolärer Lavage).
Für eine Langzeit-pH-Metrie zur Objektivierung eines gastrooesophagealen Refluxes wird keine eindeutige Indikation mehr gesehen. Bei entsprechenden anamnestischen Hinweisen erfolgt eine probatorische Therapie mit einem Protonenpumpenblocker. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich ein chronisches Räuspern und eine posteriore Laryngitis nach etwa drei Wochen unter Therapie bessern, bis zur Besserung eines refluxbedingten Hustens aber durchaus drei Monate vergehen können. Ein durch Reflux bzw. auch Mikroaspirationen aggraviertes Asthma bronchiale bessert sich unter Umständen erst nach einer Therapie über sechs Monate mit einem Protonenpumpenblocker.
Abb. 2: Klinischer Algorithmus zur Diagnostik des chronischen Hustens* 1. Jeder Patient mit einem ungeklärten chronischen Husten muss spätestens am Ende des diagnostischen Algorithmus bronchoskopiert werden (Empfehlungsgrad D). 2. Bei Änderung des Schweregrades und/oder der Charakteristik des Hustens beim Raucher sollte bei klinischem Verdacht auf Bronchialkarzinom abweichend vom Algorithmus eine Bronchoskopie durchgeführt werden (Empfehlungsgrad D)
Bleibt der Husten auch nach Durchführung sämtlicher im Algorhithmus aufgeführten Untersuchungen ungeklärt, so muss eine Bronchoskopie durchgeführt werden (Empfehlungsgrad A). Abweichend von den evidenzbasierten Daten empfiehlt die deutsche Leitlinie (auch abweichend von dem Algorithmus zur Abklärung des chronischen Hustens) eine Bronchoskopie durchzuführen, wenn sich die Charakteristik des Hustens verändert. Grund hierfür ist eine geringe Zahl von ausschließlich endobronchial wachsenden Tumoren (und nicht röntgendichten Fremdkörpern), die weder im konventionellen Röntgen-Thoraxbild noch in der Computertomographie zu erkennen sind.
Die Diagnostik und Störungen des Mukoziliarapparates haben im klinischen Alltag keine Bedeutung. Andererseits nimmt, wie eingangs ausgeführt, die Clearance-Störung eine Schlüsselrolle bei der Ätiologie des Hustens ein. Daher sollten die Methoden zur Clearance-Messung standardisiert und zumindest in Fachabteilungen etabliert werden. Die Tabelle 2 zeigt die wichtigsten Empfehlungen und die evidenzbasierten Empfehlungsgrade zur Abklärung des Hustens entsprechend der deutschen Leitlinie.
Tab. 2: Die wichtigsten Empfehlungen und evidenzbasierten Empfehlungsgrade* zur Abklärung des Hustens
*Anm.: Die Empfehlungsgrade gelten nur, wenn die aufgeführte logische Reihenfolge der Untersuchungen eingehalten wird. Im individuellen Fall können die Anamnese und die körperliche Untersuchung Befunde ergeben, die eine Abweichung von diesen Empfehlungen erforderlich machen, z.B. akute Hämoptoe. |
||
Untersuchungsmethode |
Akuter Husten |
Chronischer Husten |
Anamnese |
Ja (A) |
Ja (A) |
Raucheranamnese |
Ja (D) |
Ja (A) |
Körperliche Untersuchung |
Ja (A) |
Ja (A) |
Röntgen Thorax Aufnahme |
Nein (A) |
Ja (A) |
Lungenfunktionsprüfung |
Nein (D) |
Ja (A) |
Unspezifischer Provokationstest |
Nein (D) |
Ja (A) |
hals-nasen-ohrenärztl. Unters. |
Bei Auffälligkeit (D) |
Ja (A) |
CT der Nebenhöhlen |
Nein (D) |
Ja(C) |
24 Stunden pH – Metrie |
Nein (D) |
Ja(C) |
HR-CT Thorax |
Nein (D) |
Ja(C) |
Bronchoskopie |
Nein (D) |
Ja (D) |
Trotz aller diagnostischen Maßnahmen bleiben fast 20% aller Fälle mit einem chronischen Hustenreiz ätiologisch ungeklärt. In diesen Fällen besteht wohl häufig eine erhöhte Sensitivität des Hustenreflexes gegenüber Capsaicin.