Aktuelle Urol 2006; 37 - P3
DOI: 10.1055/s-2006-947543

Im Labor gezüchtetes mehrschichtiges Urothel aus Spülflüssigkeiten der Harnblase: eine neue Therapieoption für die Urethrarekonstruktion

G Feil 1, S Maurer 1, U Nagele 1, C Bock 1, J Krug 1, KD Sievert 1, A Stenz 1
  • 1Klinik für Urologie, Eberhard-Karls-Universität, Tübingen

Einleitung und Fragestellung: Die operative Therapie der Harnröhrenstriktur zeigt nachfolgend oftmals Komplikationen, die eine wiederholte Behandlung erfordern. Der Einsatz von mehrschichtigem Urothel, das im Labor aus Urothelzellen des Patienten gezüchtet wurde, könnte eine neue Option für eine dauerhafte Regeneration des Urothels darstellen. Humane urotheliale Zellen (HUZ) können aus nativem Urothel isoliert werden. Dies macht jedoch einen endoskopischen oder offenen chirurgischen Eingriff erforderlich. Das Ziel dieser Studie waren die Etablierung primärer Zellkulturen von HUZ aus Blasenspülflüssigkeiten, die Herstellung mehrlagiger Urothelgewebe in vitro, die Charakterisierung der Urothelgewebe mit immunologischen Methoden und die Nachweisbarkeit ihrer Vitalität.

Methoden: Spülflüssigkeiten wurden von 20 Patienten im Alter von 34 bis 88 Jahren gewonnen, die eine Zystoskopie benötigten und keine Anzeichen für einen urologischen Tumor oder eine Infektion hatten. Nach Zentrifugation wurden die Zellen gewaschen und in komplettem Serum-freien Keratinozytenmedium kultiviert. Konfluente Monolayerkulturen wurden durch Zugabe von Kalziumsalz stratifiziert. Entwickelte Urothelgewebe wurden nach 10–16 Tagen geerntet. Pan-Cytokeratin (CK) und CK20 wurden in stratifizierten Zellkulturen und abgelösten Urothelien mit Anti-Cytokeratin-Antikörpern (Klone AE1/AE3) und Anti-CK20-Antikörper (Klon Ks20.8) immunologisch nachgewiesen. Um das Wachstum von mesenchymalen Zellen auszuschließen, wurden Antikörper gegen Fibroblasten-Antigen (Klon TE-7) und glattmuskuläres Alpha-Aktin (Klon 1A4) eingesetzt. Für histologische Untersuchungen wurden Paraffinschnitte mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt. Die Vitalität der abgelösten Urothelgewebe wurde durch Etablierung von Explantkulturen kleiner Gewebestücke überprüft.

Ergebnisse: Konfluente Primärkulturen von HUZ konnten in 60% der gewonnenen Harnblasenspülflüssigkeiten nach 15–20 Tagen etabliert werden. Mehrschichtige Urothelgewebe entwickelten sich aus 66% der Monolayer. Die Histologie zeigte stratifizierte Zelllagen vergleichbar nativem Urothel. Sowohl stratifizierte Zellkulturen als auch abgelöste Urothelgewebe waren in 100% der Zellen positiv für AE1/AE3 und in einigen Zellen für Ks20.8, wodurch eine Differenzierung in superfizielle Zelllagen angezeigt wird. Die Untersuchungen mit den mesenchymalen Zellmarkern waren stets negativ. Die Vitalität der in vitro gewachsenen Urothelien wurde durch ein rasches Auswachsen der Explantkulturen bestätigt.

Schlussfolgerung: Die Isolation von HUZ aus Harnblasenspülflüssigkeiten ist eine alternative, wenig invasive Technik für die Etablierung primärer Urothelzellkulturen aus denen nachfolgend autologe, mehrschichtige Urothelgewebe hergestellt werden können. Dieses Verfahren stellt eine faszinierende neue Option für die rekonstruktive Urethrachirurgie dar.