Neuropediatrics 2006; 210 - P90
DOI: 10.1055/s-2006-946446

Liaisonmodell zur psychosomatischen Elternbetreuung auf einer neonatologischen Intensivstation – Stellenwert eines systemisch-familienorientierten Konzeptes zur Entlastung der Eltern kleiner Frühgeborener

R Dörr 1, K Heimann 1, ER Petzold 2, H Hörnchen 1
  • 1Klinik für NG- u. Konserv. Kinderintensivmedizin
  • 2Klinik f. Psychosomatik u. Psychotherap. Medizin, Aachen, D

Hintergrund: Eltern von kleinen Frühgeborenen müssen nach Geburt ihres Kindes spezifische Herausforderungen bewältigen, darunter Trauer, Schuldgefühle, Trennung vom Kind oder Differenzen zwischen Mutter und Vater. Sie weisen gehäuft Symptome wie Angst, Depression, Irritabilität, Schlaf- und Eßstörungen, Inkompetenzgefühle sowie posttraumatische Beschwerden auf. Auf der Kinder-intensivstation wurde deshalb zur Unterstützung der Familienangehörigen sehr kleiner Frühgeborener ab 2001 eine Liaisonärztin mit einer drittmittelgeförderten 25%-Stelle aus der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin mit pädiatrischen Vorkenntnissen eingesetzt.

Patienten und Methoden: Ziele des Unterstützungsangebotes für die Eltern sind Hilfe bei der Verarbeitung der Frühgeburt und deren Folgen, Förderung der Eltern-Kind-Beziehung, Prävention, Diagnostik und Behandlung von psychischen Folgeproblemen oder familiären Dysbalancen. Zielgruppe sind Eltern von Frühgeborenen bis zur 33. Schwangerschaftswoche und/oder mit kompliziertem Krankheitsverlauf sowie Eltern mit psychosozialen Vorbelastungen. Interventionen betreffen einerseits die Eltern (Gespräche, übende Verfahren, Gruppen), andererseits das Fachpersonal (Gespräche, Fallbesprechungen, Nachsorgebesprechungen, Vernetzung, Fortbildungen). Sie beruhen auf Elementen verschiedener psychotherapeutischer Schulen (eingebettet in Konzepte der Systemischen Therapie) und auf dem Psychosomatischen Liaisonmodell.

Ergebnisse: Die in der Literatur beschriebenen familiären Herausforderungen und psychischen Belastungen mit den entsprechenden Symptomen nach Geburt eines sehr kleinen Frühgeborenen ließen sich im klinischen Alltag belegen.

Es wurden insgesamt 213 von 323 Familien von Frühgeborenen <=(kleiner gleich) 33. SSW betreut. Davon wiesen nach klinischer Einschätzung 67 (31,4%) ein hohes bis sehr hohes, 100 (46,9%) ein bedeutsames,

45 (21,1%) ein mäßiges und 1 (0,6%) ein geringes Risiko für mit der Frühgeburt assoziierte psychosoziale Belastungen auf. Die Tätigkeit der Liaisonärztin bestand zu 66% aus Arbeit mit den Eltern und zu 34% aus Kontakten mit dem Personal.

Resümee und Ausblick: Bei einem Großteil der Eltern von Frühgeborenen bis <=(kleiner gleich) 33. SSW besteht Bedarf für psychologische oder psychotherapeutische Unterstützung. In den Gruppen mit der höchsten Belastung (bedeutsames, hohes bis sehr hohes Risiko) konnte der psychologische Beratungsbedarf befriedigend abgedeckt werden.

Eine enge Verzahnung mit dem seelsorgerischen und sozialarbeiterischen Angebot sowie regelmäßiger Austausch mit dem medizinischen Personal erscheinen unerläßlich, um eine effektive Versorgung zu gewährleisten und tragen zudem zur gegenseitigen Bereicherung aller Disziplinen bei.