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DOI: 10.1055/s-2006-944480
Kiefernekrosen infolge einer Bisphosphonattherapie nach ossär metastasiertem Mammakarzinom – kieferchirurgische Therapieansätze und Konsequenzen für die Praxis
Bisphosphonate haben seit vielen Jahren ihren Platz in der adjuvanten Therapie ossär metastasierender Tumore, des Plasmozytoms und der Osteoporose. Durch pharmakologische Modifikationen konnte deren knochenversiegelnde Eigenschaft gesteigert werden. Wenige Jahre nach Einführung der aktuellen Generation stickstoffhaltiger Bisphosphonate (Pamidronsäure, Zoledronsäure) erschienen erste Berichte über Kieferosteomyelitiden und Kiefernekrosen bei Patienten, die mit diesen Präparaten behandelt wurden und bei denen eine Zahnextraktion stattgefunden hatte.
Fallbericht 1: Eine 64-jährige Patientin stellte sich mit insgesamt drei freiliegenden Knochenarealen im Kieferbereich vor. Anamnestisch bekannt war eine generalisierte Metastasierung mit ossärer Beteiligung infolge eines 9 Jahre zuvor operativ entfernten invasiv-duktalen Mammakarzinoms (pT2 pN1biv; G3), so dass bei positivem PET-Befund der Verdacht auf osteoplastische Metastasen im Oberkiefer bestand. Das klinische Erscheinungsbild entsprach dem einer Osteoradionekrose. Eine tumortherapeutische Bestrahlung im Kopf-, Halsbereich war jedoch nicht erfolgt. Anamnestisch auffällig war die intravenöse Gabe von 4mg Zoledronsäure alle 4 Wochen über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren. Im weiteren Verlauf erfolgte eine plastische Deckung im Bereich des Oberkiefers, im Bereich des Unterkiefers kam es zu rezidivierenden Wunddehiszenzen, die nicht abschließend saniert werden konnten.
Fallbericht 2: Eine 50-jährige Patientin stellte sich mit einer nicht sekundär heilenden Wunde im rechten Unterkiefer bei Zustand nach Zahnextraktion vor. Anamnestisch auffällig war ein Z. n. Ablatio mammae bei einem invasiv-ductalen Adenokarzinom der Mamma (pT2 pN1bii G2) und die monatliche Gabe von 4mg Zoledronsäure über einen Zeitraum von 17 Monaten. Der intraorale klinische Befund ergab zwei Schleimhautfisteln, aus denen sich putrides Sekret entleerte. Das Orthopantonomogramm zeigte einen osteolytischen Prozess mit z.T. sklerosierenden Arealen. Es erfolgte eine operative Sanierung über einen intraoralen Zugang, indem der entzündlich veränderte Kieferabschnitt im Sinne einer Kastenresektion. Im weiteren Verlauf kam es zu wiederholten Rezidiven der Infektion, welche auch trotzdem mehrfacher Interventionen letztendlich nicht zufriedenstellend zahnprothetisch zu versorgen war.
Schlussfolgerung: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können keine verbindlichen Richtlinien zum Umgang mit therapierefraktären Kieferosteomylitiden unter Bisphosphonattherapie gegeben werden.
In Abhängigkeit von der Prognose des Patienten als nicht erhaltungswürdig eingestufte Zähne sollten spätestens einen Monat vor Therapiebeginn entfernt werden.
Die Patienten müssen dazu angehalten werden, jeden behandelnden Zahnarzt über eine Bisphosphonatdauermedikation in Kenntnis zu setzen.
Eine Akzentuierung der Problematik ist in Zukunft zu erwarten, wenn Bisphosphonate zunehmend über längere Zeiträume zur Prävention/Therapie der Osteoporose eingesetzt werden.