Zeitschrift für Phytotherapie 2006; 27(2): 77-79
DOI: 10.1055/s-2006-942769
Praxis
KASUISTIK
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Weihrauch bei rheumatischen Erkrankungen - Behandlung einer Patientin mit chronischer Polyarthritis

Rainer Brenke
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Publication Date:
07 December 2006 (online)

Das Problem

Die Therapie einer entzündlichen rheumatischen Erkrankung mit Basistherapeutika, nichtsteroidalen Antirheumatika, Corticoiden, aber auch »Biologicals« ist oft mit erheblichen Nebenwirkungen belastet, die Suche nach verträglichen Alternativen daher verständlich. Hier bieten sich die klassischen Naturheilverfahren einschließlich der physikalischen Therapie an. Als eine der Säulen der so genannten klassischen Naturheilverfahren gilt die Phytotherapie - pflanzliche Präparate sind sowohl in der symptomatischen als auch in der antientzündlichen Therapie von rheumatischen Erkrankungen weit verbreitet. Ein relativ neuer Ansatz ist in der Verabreichung von Weihrauchpräparaten zu sehen.

Weihrauch in der Rheumatologie

Meist wird Weihrauch mehr mit seiner biblischen Tradition und der Anwendung bei verschiedenen religiösen Zeremonien als mit einem Heilmittel in Verbindung gebracht. Schließlich wurde der neugeborene Jesus von den heiligen drei Königen aus dem Morgenland nicht nur mit Gold und Myrrhe, sondern auch mit Weihrauch beschenkt. Auch heute noch spielt der Weihrauch als Räucherwerk nicht nur in der katholischen Kirche eine besondere Rolle.

Die medizinische Anwendung von Weihrauch geht auf die ayurvedische Medizin zurück, wobei die Idee einer Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen den drei »Doshas« »Vata« »Pitta« und »Kapha« zugrunde liegt (Übersicht bei Ammon [2]). Diese »Doshas« entsprechen in vielem dem europäischen Begriff des Konstitutionstypus. Das Überwiegen eines »Doshas« disponiert nach ayurvedischer Auffassung zu bestimmten Krankheiten. Die Wirkungen des Weihrauchs bestehen nach ayurvedischen Vorstellungen in einer Verminderung von »Pitta« und »Kapha«. Schon nach ayurvedischen Textbüchern aus dem ersten und zweiten sowie dem siebten Jahrhundert n. Chr. ist Weihrauch ein Bestandteil von Arzneien zur Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems, der Atemwege, des Magen-Darm-Traktes sowie von Frauenleiden und Hauterkrankungen. Zur Behandlung von rheumatischen Erkrankungen wurde er erst später eingesetzt. Verwendet wurde in der ayurvedischen Medizin »Salai guggal« - das Gummiharz des indischen Salai- bzw. Salaigugul-Baumes Boswellia serrata Roxb. Aber nicht nur in der ayurvedischen, sondern auch in der arabischen Medizin war Weihrauch von jeher verbreitet.

Das zur medizinischen Anwendung gelangende Weihrauchharz besteht aus Schleim, ätherischem Öl und Harz (50-70 %). Verantwortlich für die medizinisch relevanten Wirkungen sind besonders verschiedene Boswelliasäuren aus dem Harz. Pharmakologische Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Boswelliasäuren vor allem bei Entzündungsprozessen wirken, die durch Leukotriene hervorgerufen bzw. unterhalten werden; auf die Prostaglandinsynthese haben sie nur einen geringen Einfluss [11]. Positive klinische Wirkungen wurden u.a. bei der Colitis ulcerosa, dem Morbus Crohn, Bronchialasthma und peritumoralen Hirnödemen beschrieben [3]. Außerdem können Boswelliasäuren die Proliferation bestimmter Tumorzellen unmittelbar hemmen. Klinisch wird dadurch das Wachstum von Hirntumoren verlangsamt und das umgebene Ödem ähnlich beeinflusst wie durch Dexamethason [4]. 1986 wurde in Indien erstmals ein Extrakt aus Salai guggal als Mittel gegen Polyarthritis (»Sallaki«) zugelassen. Verbreiteter ist jedoch in Deutschland nach wie vor der Einsatz von Weihrauchpräparaten bei Colitis ulcerosa und bei M. Crohn; es wurde aber auch immer wieder über den Einsatz bei degenerativen Erkrankungen und bei Asthma bronchiale berichtet [5] [6] [7] [9] [10].

Nebenwirkungen von Weihrauchpräparaten sind insgesamt selten. Im eigenen Krankengut, bei dem vor allem das Präparat Original Indische Weihrauch Kps.® 400 mg eingesetzt wurde, kam es bei 238 behandelten Patienten 15-mal zu vorübergehenden gastrointestinalen Unverträglichkeiten, zweimal trat ein flüchtiges Arzneimittel-Exanthem auf.

Aus der Literatur sind weiterhin die seltene Auslösung einer allergischen Kontaktdermatitis bei externer Anwendung als Creme bekannt [1] sowie eine hepatotoxische Wirkung bei länger andauernder, höher dosierter oraler Gabe [8]. Weihrauchpräparate müssen deshalb unter ärztlicher Kontrolle verabreicht werden. Weihrauchpräparate sind bisher in Deutschland nicht zugelassen, sie können jedoch über Einzelanforderungen z.B. aus der Schweiz importiert (H15®) oder von der Apotheke auf Rezeptur gefertigt werden.

Kasuistik

Die nachfolgende Kasuistik veranschaulicht den Einsatz eines Weihrauchpräparates bei einer Patientin mit rheumatoider Arthritis. Frau S. M. erkrankte im Alter von 27 Jahren. Im Vordergrund standen zunächst die typischen Beschwerden in den Händen, später auch an den Füßen. Eine Vielzahl von Operationen wurde erfolgreich u.a. an den Fingergelenken durchgeführt; so wurde z.B. eine Flexoren-Tenosynovektomie der linken Hohlhand durchgeführt, ferner eine Zugschraubenarthrodese des linken Daumengelenkes sowie eine Radiosynoviorthese einer Baker-Zyste bds. Außerdem erfolgte eine Resektionsinterpositionsarthroplastik der Langfingergrundgelenke II bis V rechts mit Silastikimplantation und eine Radiosynoviorthese des oberen Sprunggelenkes rechts. Die Patientin ist als MTA in einer Forschungseinrichtung bei reduzierter Arbeitszeit arbeitsfähig. Im Alter von 34 Jahren wurde zusätzlich zur ständigen Krankengymnastik und befundorientierten physikalischen Therapie eine Therapie mit Sandimmun® (Ciclosporin) sowie Cortison begonnen. Zeitweise erfolgte eine Einstellung auf Quensyl® (Hydroxychloroquin) sowie Sandimmun®. Zusätzlich wurde Voltaren® Resinat (Diclofenac) in unterschiedlichen Dosierungen gegeben.

Die stationäre Aufnahme in unserer Klinik erfolgte u.a. mit dem Ziel einer Reduktion zumindest der Cortisondosis (bei Aufnahme 7,5 mg Decortin®/Tag). Dieser Wunsch war bei dem recht jungen Alter der Patientin und den befürchteten Nebenwirkungen auch nachvollziehbar. Die entzündliche Aktivität war bei der ersten stationären Aufnahme mit einer CRP-Erhöhung auf 9,6 mg/l nur gering ausgeprägt, außerdem bestand als Cortisoneffekt eine Leukozytose mit 15800/μl sowie einer Erhöhung der neutrophilen Granulozyten auf 85,4 % (Effekt von Sandimmun®). Die übrigen Laborparameter waren unauffällig. Die Patientin erhielt ein komplexes naturheilkundliches Behandlungsprogramm mit physikalischer Therapie einschließlich Wassergymnastik, Rückenschule, medizinischer Trainingstherapie, Ultraschallbehandlungen subaqual, Kaltlufttherapie, lokal Fango und Massage, Einzelkrankengymnastik, progressive Muskelrelaxation nach Jacobson. Zur Bewältigungsstrategie wurden ihr Einzelgespräche mit dem Klinikpsychologen vermittelt. Außerdem wurde eine dreimal wöchentliche Schröpfkopfmassage im Bereich der oberen Rückenregion durchgeführt. Ziel der Phytotherapie war u.a. eine Schmerzlinderung mit Teufelskralle (Doloteffin® 1-1-1) sowie eine Entzündungshemmung, die wir mit einem Weihrauchpräparat (Original Indische Weihrauch Kps.® 400 mg) in der Dosierung 3T täglich 1 Kps. versuchten. Zusätzlich erfolgte eine einmalige lokale Injektion mit einem Corticoid in das linke Ellenbogengelenk. Nach rheumatologischer Konsultation wurde die Basistherapie mit Quensyl® beendet, jedoch mit Sandimmun® wie bisher weitergeführt. Im Rahmen des 18-tägigen stationären Aufenthaltes konnte die Decortin®-Dosis allmählich von 7,5 auf 3 mg täglich reduziert werden, ohne dass es zu einer Zunahme der entzündlichen Aktivität oder der Beschwerden gekommen wäre. Zur Osteoporoseprophylaxe erhielt sie Vitamin D3 und Calcium (Ideos® Kautabletten 0-0-2) sowie eine Lichttherapie mit UVB (jeweils über fünf Tage tägl., dann ein Tag Pause). Außerdem besuchte die Patientin regelmäßig die Sauna, ernährte sich vegetarisch und erhielt 3T wöchentlich vegetarisch geprägte Entlastungstage.

Im Verlauf einer 3-jährigen Beobachtungszeit, bei der die Patientin noch zweimal für jeweils 20 Tage in unserer stationären Behandlung war, konnte bei weiterem guten Befinden und nur geringer oder fehlender entzündlicher Aktivität die Cortisondosis weiter reduziert werden auf schließlich 1 mg/Tag. Die CRP-Werte lagen zwischen 0,4 und 1,9 mg/l und damit im Normbereich, das Blutbild war bis auf eine leichte Erhöhung der Thrombozytenzahl auf 358 K/μl ebenfalls unauffällig. Beim letzten Kontakt bestand die medikamentöse Therapie aus Sandimmun® 25 1-0-1, Voltaren® Resinat 0-0-1, Weihrauch Kps. 1-1-0, Decortin® H 1 mg 1-0-0, Ideos® Kautabletten 0-0-2, Doloteffin® 1-0-1 sowie Ferro sanol® duodenal 0-1-0. Außerdem führte die Patientin zuletzt eine Symbioselenkung zur Darmsanierung durch, ernährte sich weiterhin vegetarisch, ging regelmäßig in die Sauna und setzte die erlernten krankengymnastischen Übungen in Eigenregie fort.

Weihrauch - das Harz von Boswellia serrata - enthält entzündungshemmende Boswelliasäuren

Diskussion und Schlussfolgerungen

Ziel einer rheumatologisch orientierten naturheilkundlichen Therapie sollte es im Allgemeinen nicht sein, eine Basistherapie unter allen Umständen abzusetzen, denn diese beugt oftmals gerade bei höheren Entzündungsgraden einer Gelenkdestruktion effektiv vor. Wohl aber sollte es Ziel sein, die Dosis der Rheumamittel einschließlich von Corticosteroiden wegen zu erwartender Nebenwirkungen möglichst gering zu halten. Neben der gesamten Palette der physikalischen Medizin, ernährungstherapeutischen Maßnahmen und weiteren naturheilkundlichen Anwendungen spielt die Phytotherapie hier eine große Rolle. Als Standardtherapie erwägen wir zumindest eine analgetische Therapie, z.B. mit einem Teufelskrallenpräparat in Kombination mit einer antiphlogistischen Behandlung. Hier sind sicherlich unterschiedliche Mittel denkbar, bei uns hat sich jedoch ein Weihrauchpräparat etabliert. In jedem Fall sollte die Therapieumstellung sehr behutsam erfolgen, drastische Maßnahmen oder stärkere Dosisänderungen (z.B. bei Corticoiden) sind zu vermeiden. Eine intensive rheumatologische Kontrolle unter Einbeziehung der Entzündungsparameter und des klinischen Status ist stets erforderlich. Aus unserer Sicht ist es bei dem vorliegenden Fall gelungen, insbesondere die Corticosteroiddosis durch eine Therapie mit einem Weihrauchpräparat über einen längeren Zeitraum deutlich zu reduzieren, wobei auch die übrigen naturheilkundlichen nichtmedikamentösen Maßnahmen in erheblichem Umfang mit- gewirkt haben. Die rheumatoide Arthritis ist eine typische Indikation für eine multimodale Behandlungsstrategie, in die auch naturheilkundliche Therapien einbezogen werden sollten.

Literatur

  • 1 Acebo E, Raton JA, Sautua S. et al. . Allergic contact dermatitis from Boswellia serrata extract in a naturopathic cream.  Contact Dermatitis. 2004;  51 91-92
  • 2 Ammon HPT. Arzneimittel der Ayurveda-Medizin. In: Reichling J, Müller-Jahnke WD, Borchardt A (Hrsg.): Arzneimittel der komplementären Medizin. Eschborn:Govi-Verlag; 2001.
  • 3 Ammon HPT. Boswelliasäuren (Inhaltsstoffe des Weihrauchs) als wirksame Prinzipien zur Behandlung chronisch entzündlicher Erkrankungen.  Wien Med Wochenschr. 2002;  152 373-378
  • 4 Böker DK, Winking M. Die Rolle von Boswellia-Säuren in der Therapie maligner Gliome.  Deutsches Ärzteblatt. 1997;  94 1197-1199
  • 5 Gerhardt H, Seifert F, Buvari P, Vogelsang H, Repges R. Therapie des aktiven Morbus Crohn mit dem Boswellia-serrata-Extrakt H 15.  Z Gastroenterol. 2001;  39 11-17
  • 6 Gupta I, Gupta V, Perihar A. et al. . Effects of Boswellia serrata gum resin in patients with bronchial asthma: Results of a double-blind, placebo-controlled, 6-week clinical study.  Eur J Med Res. 1998;  3 511-514
  • 7 Gupta I, Perihar A, Malhotra P. et al. . Effects of Boswellia serrata gum resin in patients with ulcerative colitis.  Eur J Med Res. 1997;  2 37-43
  • 8 Kiela PR, Midura AJ, Kuscuoglu N. et al. . Effects of Boswellia serrata in mouse models of chemical induced colitis.  Am J Physiol Gastrointest Liver Physiol. 2005;  288 798-808
  • 9 Kimmatkar N, Thawani V, Hingorani L, Khiyani R. Efficacy and tolerability of Boswellia serrata extract in treatment of osteoarthritis of knee - a randomized double blind placebo controlled trial.  Phytomedicine. 2003;  10 3-7
  • 10 Kulkarni RR, Patki PS, Jog VP. et al. . Treatment of osteoarthritis with a herbomineral formulation: a double-blind, placebo-controlled, crossover study.  J Ethnopharmacol. 1991;  33 91-95
  • 11 Safayhi H, Mack T, Sabieraj J. et al. . Boswellic acids: novel, specific, nonredox inhibitors of 5-lipoxygenase.  J Pharmacol Exp Ther. 1992;  261 1143-1146

Priv.-Doz. Dr. med. Rainer Brenke

Abt. Naturheilverfahren

Hufeland-Klinik Bad Ems

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Email: nhv@hufeland-klinik.com

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