Psychiatr Prax 2006; 33(5): 207-210
DOI: 10.1055/s-2006-939989
Debatte
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Pro und Kontra: Monotherapie - Goldstandard der Psychopharmakabehandlung?

For and Against: Is Monotherapy the Gold Standard of Psychopharmacology?
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Publication Date:
27 June 2006 (online)

Pro

Christoph Fehr

Verschiedene nationale wie internationale Studien zeigen einen zunehmenden Trend zur Mehrfachverordnung von Psychopharmaka insbesondere während der stationären Behandlung psychiatrischer Patienten [1] [2]. Ich möchte anhand der verfügbaren Daten zur Antipsychotikabehandlung begründen, warum eine Monotherapie weiterhin den Goldstandard der Behandlung darstellen sollte.

„Eine Monotherapie mit atypischen oder auch typischen Antipsychotika stellt eine sichere und wirksame Behandlungsform dar”

Umfangreiche Metaanalysen nach den Kriterien der Cochrane Collaboration belegen u. a. die Wirksamkeit verschiedener atypischer Antipsychotika, u. a. von Risperidon [3] [4], Olanzapin [5] und Quetiapin [6], jedoch auch typischer Antipsychotika, wie z. B. Haloperidol [4] in der Akutbehandlung schizophrener Patienten. Von einer inferioren Wirkung atypischer Antipsychotika gegenüber typischen Antipsychotika kann aufgrund der vorliegenden Daten nicht ausgegangen werden [7]. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, dass eine Monotherapie mit atypischen Antipsychotika keine ausreichende Wirkung auf schwerer erkrankte Patienten besitze, konnte in der naturalistisch angelegten „Intercontinental Schizophrenia Outpatient Health Outcome (IC-SOHO) Studie” eine Wirkung atypischer Antipsychotika auf Symptome wie Feindseligkeit und Aggressivität sowohl kurz- als auch mittelfristig eindeutig nachgewiesen werden [8] [9]. Zwei atypische Antipsychotika, Olanzapin und Ziprasidon, stehen als i. m. Applikation zur Verfügung und können als Monosubstanzen zur Behandlung erregter Patienten eingesetzt werden. Insbesondere für den Einsatz von Olanzapin i. m. sprechen zwei Untersuchungen an agitierten Patienten mit einer Schizophrenie, in denen Olanzapin i. m. als Monotherapie vergleichbar wirksam wie Lorazepam oder Haloperidol i. m. war [10].

„Eine Non-Response auf eine Monotherapie gibt eine klare Handlungsempfehlung”

Eine Monotherapie besitzt ebenfalls entscheidende Vorteile bei einem Nichtansprechen auf die durchgeführte Therapie. Neue Metaanalysen haben eindeutig gezeigt, dass eine signifikante Besserung aller psychotischen Symptome innerhalb der ersten beiden Behandlungswochen auftritt und dass diese Besserung prädiktiv für die weitere und nachhaltige Response auf das Pharmakon ist [11] [12]. Dies bedeutet, dass innerhalb eines Zeitfensters von ca. 14 Tagen nach Beginn der Behandlung eine sehr wahrscheinlich unwirksame Monotherapie identifiziert und ohne weitere Verzögerung durch eine andere Substanzgruppe ersetzt werden kann. Dieser Erkenntnisgewinn ist für die längerfristige Therapieplanung oft entscheidend und ist mit einer Kombinationstherapie nicht zu erreichen.

„Eine wirksame Monotherapie führt zu einer kontinuierlichen Symptombesserung und Remission”

Ein weiterer geläufiger Irrtum ist, dass sich mit einer Monotherapie keine ausreichende stabile Response bei einer Vielzahl von Patienten erreichen lässt. Diese Fehlannahme ist meines Erachtens durch die reine Fokussierung auf das Ausmaß an erreichter Besserung während der teilweise nur noch 4 - 6 Wochen dauernden stationären Behandlung begründet. Die Clozapin/Chlorpromazinvergleichsstudie von Lieberman et al. (2003) [13] an einer Gruppe ersterkrankter chinesischer Patienten zeigt exemplarisch, dass der Anteil remittierter Patienten auch jenseits dieses Beobachtungszeitraums kontiniuerlich weiter ansteigt. Obwohl 8 Wochen nach Beginn der Behandlung erst 50 % der Patienten eine Response in Form einer 50 %-Reduktion der Symptome auf der BPRS erreicht hatten, erreichten bis zum Ende des Beobachtungszeitraums 80 bzw. 86 % der Patienten in den beiden Behandlungsgruppen eine Remission [13]. Ein vergleichbarer Verlauf der Responsekurve konnte auch in der 26-wöchigen Vergleichsstudie zwischen Olanzapin und Aripiprazol beobachtet werden [14]. Der Anteil der vollständig remittierten Patienten, der nach der 6. Woche bei 61 % in der Aripiprazolgruppe und 61 % in der Olanzapingruppe gelegen hatte, stieg bei den weiter in der Studie verbliebenen Patienten bis zum Studienende nach 6 Monaten auf 81 % (Aripiprazol) bzw. 86 % (Olanzapin) an [14]. Für den Behandlungsalltag bedeutet dies, dass bei Patienten mit einer spürbaren initialen Besserung unter einer antipsychotischen Monotherapie eine weitere Besserung, schließlich auch eine Remission im weiteren Behandlungsverlauf erwartet werden kann.

„Die Datenlage zur Wirksamkeit und Sicherheit einer antipsychotischen Kombinationsbehandlung ist schlecht”

Die meisten vorliegenden Daten beschränken sich auf Fallserien oder kleine offene Behandlungsstudien mit wenigen (< 20) Teilnehmern, lediglich einige methodisch aufwendige randomisierte doppelblinde Studien liegen vor [1] [15]. Lediglich Clozapin als Reservemedikation zur Behandlung therapieresistenter Patienten nimmt eine gewisse Ausnahmestellung ein. Selbst die gängige klinische Praxis einer initial zeitgleichen Verabreichung eines typischen Antipsychotikums (z. B. Haloperidol) mit einem atypischen Antipsychotikum ist durch keine strukturierte Untersuchung gestützt. Eine naturalistische Verlaufsbeobachtung zur Durchführung einer Kombinationstherapie von typischen Antipsychotika mit Clozapin wies bereits auf eine erhöhte Rate unerwünschter Nebenwirkungen, wie EEG-Veränderungen oder auch deliranter Zustände hin [16].

„Eine Kombinationsbehandlung ist nicht besser wirksam als eine Monotherapie”

Die weiteren mit Clozapin und anderen atypischen Antipsychotika durchgeführten Kombinationsstudien sprechen keinesfalls für eine klare Überlegenheit einer Kombinationsbehandlung [17]. Ausgehend vom Rezeptorbindungsprofil von Clozapin mit einer schwachen Affinität zu Dopamin D2 Rezeptoren („D2-Lücke”) wurde die Kombinationsbehandlung von Clozapin mit D2-affinen Antipsychotika, wie z. B. Risperidon häufig als molekularpharmakologisch begründbare Augmentierungsstrategie therapieresistenter Patienten angesehen. In den drei zur Wirksamkeitsbeurteilung der Kombinationsbehandlung von Risperidon und Clozapin durchgeführten doppelblinden randomisierten Untersuchungen [18] [19] [20] konnte lediglich in einer Untersuchung [18] ein schwaches zusätzliches Benefit der Kombinationsbehandlung gegenüber der Clozapin-Monotherapie registriert werden.

„Eine Polypharmakotherapie ist nebenwirkungsträchtig und potenziell gefährlich”

Im Vergleich zu den vorliegenden Sicherheitsdaten zur Monotherapie bleiben die möglichen Risiken einer Kombinationsbehandlung vollkommen im Dunkel. In den oben angeführten Clozapin-Risperidon-Augmentationsstudien wurde bei den kombiniert behandelten Patienten u. a. eine verstärkte Sedierung [19], ein Anstieg der Prolaktinspiegel [19], ein Anstieg des Nüchternserumglukosewertes [20] sowie eine signifikante Verschlechterung frontalhirnabhängiger neuropsychologischer Leistungen [20] gegenüber den monotherapeutisch behandelten Patienten festgestellt. Die immer noch geringen Fallzahlen und kurze Studiendauern lassen weiterreichende Schlüsse u. a. zur Mortalität nicht zu.

„Eine Kombinationstherapie ist teuer”

Im Hinblick auf den fraglichen Nutzen und das unklare Risiko sollten auch die hohen Therapiekosten beachtet werden. Bei einer Kombinationstherapie zweier atypischer Antipsychotika übersteigen die Tagestherapiekosten leicht 10 €, was den niedergelassenen Psychiater angesichts der oben beschriebenen Datenlage in erhebliche Begründungsnöte gegenüber der Krankenkasse bringt.

Zusammenfassend sollte daher die Polypharmakotherapie mit Antipsychotika - wenn immer möglich - unterbleiben. Eine ausreichend dosierte und ausreichend lang durchgeführte Monotherapie stellt die sicherere und bessere Alternative dar.

Dr. Christoph Fehr
Psychiatrische Klinik der Universität Mainz
Untere Zahlbacher Straße 8
55131 Mainz
E-mail: fehrc@uni-mainz.de

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