Gesundheitswesen 2006; 68 - A35
DOI: 10.1055/s-2006-939609

Ansätze zur Reduzierung der Stigmatisierung psychischer Krankheit

MC Angermeyer 1
  • 1Psychiatrische Klinik der Universität Leipzig

Nach wie vor sind psychisch Kranke in unserer Gesellschaft stigmatisiert. Die Folge davon ist die Diskriminierung der Kranken. Dabei kann zwischen individueller, struktureller und Diskriminierung qua Selbststigmatisierung unterschieden werden. Anhand der Arbeit von „Irrsinnig menschlich e.V.“ in Leipzig soll exemplarisch gezeigt werden mit welchen Strategien man diesen Formen der Diskriminierung begegnen kann.

Als individuelle Diskriminierung wird die ablehnende Haltung bezeichnet, die sich in der direkten Interaktion mit psychisch Kranken manifestiert. Sie drückt sich vor allem in dem Wunsch nach sozialer Distanz aus. Ziel des Schulprojekts „Verrückt? Na und!“ ist es der Entwicklung negativer Stereotype über psychisch Kranke bei Jugendlichen vorzubeugen bzw. bereits vorhandene Stereotype abzubauen. Damit soll die soziale Distanz gegenüber den Kranken vermindert werden.

Inhaltsanalysen von Printmedien ergaben, dass über psychisch Kranke in einseitiger Weise berichtet wird. Berichte über von psychisch Kranken begangene Straftaten, insbesondere Gewaltdelikte, dominieren. Dies hat einen negativen Einfluss auf die Einstellung der Bevölkerung zu psychisch Kranken. Deshalb bildet einen weiteren Schwerpunkt der Aktivitäten von „Irrsinnig menschlich e.V.“ die Medienarbeit.

Eine Form der strukturellen Diskriminierung ist, dass psychisch Kranke bei der Allokation finanzieller Mittel für die Krankenversorgung benachteiligt werden. Repräsentativerhebungen zeigen, dass dies durchaus von der Bevölkerung mitgetragen wird. Es erfordert also ein besonderes Engagement von Politikern; wenn sie sich für eine Verbesserung der Versorgung psychisch Kranker einsetzen. „Irrsinnig menschlich e.V.“ hat deshalb einen MUT-Preis ausgelobt für Politiker, die sich besonders verdient gemacht haben um die Sache psychisch Kranker.

Die dritte Form der Diskriminierung geht von den Kranken selbst aus. Sie neigen dazu, sich selbst zu stigmatisieren, d.h. sie machen sich die Stereotype, die in der Gesellschaft über psychisch Kranke vorherrschen, zu eigen – was verheerende Auswirkungen haben kann. Empowerment ist hier die Strategie der Wahl. „Irrsinnig menschlich e.V.“ unterstützt psychisch Kranke dabei, selbst für ihre Interessen einzutreten und aktiv beim Abbau von Vorurteilen mit zu wirken.