Psychother Psychosom Med Psychol 2006; 56 - A48
DOI: 10.1055/s-2006-934268

Koronarspasmen oder Herzneurose?–Zur Bedeutung von Angst und psychosomatischer Attribution bei nachgewiesenen Koronarspasmen

J Knieling 1, A Athanasiadis 2
  • 1Abteilung für Psychosomatische Medizin, Stuttgart
  • 2Abteilung für Kardiologie und Pulmologie, Stuttgart

In den vergangenen 10 Jahren verbesserten sich die diagnostischen Möglichkeiten zum Nachweis von Koronarspasmen drastisch. Mittels eines Provokationstests mit Acetylcholin während der Herzkatheter-Untersuchung werden die typischen Beschwerden ausgelöst. Früher galten diese Patienten als „organisch gesund“, da sich die übrige kardiale Diagnostik incl. Herzkatheter häufig unauffällig zeigt. Dabei entsteht im Nachhinein natürlich die Frage, ob in der Vergangenheit nicht manche dieser Patienten zu Unrecht als reine „Herzangst-Patienten“ gesehen wurden. Andererseits bleibt die Frage nach psychogenen Einflüssen bei der Auslösung der Spasmen. Und es bleibt weiter eine Gruppe von Patienten, die unklare Herzbeschwerden aufweist ohne den Nachweis von Koronarspasmen.

Es wird eine Fragenbogen-Untersuchung an N=295 Patienten der Koronarspasmen-Sprechstunde des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart vorgestellt, von denen 67% Spasmen aufwiesen, 33% nicht. Abgefragt wurden u.a. die emotionale Befindlichkeit, die Lebensqualität, die psychosomatische Anamnese der Patienten sowie ihre subjektiven Krankheitstheorien und Kontrollüberzeugungen, insbesondere die Einschätzung psychischer Einflussfaktoren. Patienten, die ihre Symptomatik als psychisch beeinflusst erleben, stellen sich belasteter, ängstlicher und depressiver dar und werden auch von ihren Behandlern viel häufiger psychosomatisch gesehen. Die Ergebnisse werden dahingehend diskutiert, inwieweit die subjektiven Kontrollüberzeugungen primär Ausdruck eines erhöhten Erklärungsbedürfnisses bei ängstlicher Verarbeitung sind, oder ob Angst und Depression die Spasmussymptomatik tatsächlich beeinflussen können.