Psychother Psychosom Med Psychol 2006; 56 - A12
DOI: 10.1055/s-2006-934232

Verhaltenstherapeutische und tiefenpsychologische stationäre Behandlung der Adipositas–Langzeitkatamnese einer randomisierten Studie

ME Beutel 1, J Wiltink 2, R Thiede 3, A Dippel 4
  • 1Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinik Mainz, Mainz
  • 2Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Mainz, Mainz
  • 3Privat
  • 4Vogelsbergklinik Dr. Ebel Fachkliniken Grebenhain, Grebenhain

Nach der Adipositasbehandlung folg auf eine kurzfristige Gewichtsreduktion häufig eine Wiederzunahme. Langzeitkatamnesen fehlen ebenso wie Studien über die Wirksamkeit tiefenpsychologischer Behandlungen. Diese Studie untersucht a) Langzeiteffekte verhaltenstherapeutischer und tiefenpsychologischer Behandlung auf Gewicht und Distress, b) Prädiktoren des Behandlungserfolgs.

Methode: 354 Patienten mit BMI >35kg/m² und psychischer Komorbidität wurden zufällig stationärer verhaltenstherapeutischer oder tiefenpsychologischer Behandlung zugewiesen. Die Hauptzielkriterien BMI und Distress (GSI) wurden bei Aufnahme, Entlassung, Ein- und Dreijahreskatamnese erhoben (Beutel et al. 2001). Rücklaufquoten betrugen nach einem Jahr 71–75%, nach 3 Jahren 68–70%.

Ergebnisse: Zur 3-Jahreskatamnese hatten 35,8% über das Ausgangsgewicht zugenommen, 31,7% hatten wieder zugenommen, waren aber unter ihrem Aufnahmegewicht geblieben. Als eindeutig erfolgreich ist ein Drittel der Patienten einzustufen: 14,6% hatten weiter (>5%) abgenommen mit einer Gewichtsreduktion um 3,3 BMI-Einheiten (8kg). Weitere 17,9% hatten deutlicher abgenommen (7 BMI–Einheiten, 21kg). Bzgl. Nebenzielkriterien Essverhalten, Befinden und Lebenszufriedenheit profitierten am stärksten Patienten mit höherer Gewichtsreduktion. Diese waren häufiger voll erwerbstätig. Sie schrieben ihr Gewicht bei Klinikaufnahme eher ihrem Essverhalten zu als ihrer Veranlagung, hatten eine größere Selbstwirksamkeitserwartung, einen höheren Leidensdruck und waren länger in stationärer Behandlung.

Diskussion: Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass ein stationärer tiefenpsychologischer Ansatz gleichermaßen zielführend sein kann wie ein verhaltenstherapeutischer Zugang. Klinisch relevant sind Prädiktoren für langfristige Gewichtsreduktion. Die begrenzten Langzeiterfolge regen an, über die Vernetzung ambulanter und stationärer Therapie bzw. über stationäre Wiederholungsbehandlung nachzudenken.