Erfahrungsheilkunde 2006; 55(1): 5-14
DOI: 10.1055/s-2006-932288
Originalia

Karl F. Haug Verlag, in: MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Eros und Tod oder eine Blume des Bösen

Homöopathische Untersuchung des Romans „Dr. Faustus” von Thomas MannUlrike Keim
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Publication Date:
31 January 2006 (online)

Zusammenfassung

Der Roman „Doktor Faustus” ist eine geniale Schilderung des syphilinischen Miasmas. Parallel zur Lebensgeschichte des Helden wird die gesellschaftlich-politische Situation bis zum Zusammenbruch Deutschlands 1945 beschrieben.

Es werden die Leitsymptome und Leitthemen der Hauptfigur Adrian Leverkühn herausgearbeitet und homöopathisch untersucht.

Die Essenzen des Romans sind Eros und Tod, Licht und Schatten, Gott und Teufel. Die homöopathischen Arzneimittelbilder werden differenzialtherapeutisch diskutiert.

Das Nachtschattengewächs Stramonium erweist sich als führendes Mittel und wird in seiner Bedeutung im Roman analysiert.

Abstract

The novel „Doktor Faustus” is an ingenious description of the syphilinic miasm. Parallel to the life history of the hero the social-political situation up to the collapse of Germany 1945 is described.

The guiding symptoms and guidance topics of the main figure Adrian Leverkühn are worked out and examined homoeopathically.

The essence of the novel is Eros and death, light and shade, God and devil. The portraits of the homoeopathic medicines are discussed concerning differential therapy.

The solanaceous plant Stramonium proves itself as the prominent medicine and in its meaning in the novel is analysed.

Literatur

  • 01 Andersen H C. Andersens Märchen. Pößneck; Edition Lempertz 2005
  • 02 Bailey P M. Psychologische Homöopathie. München Droemersche Verlagsanstalt 1998
  • 03 Brockhaus. Die Enzyklopädie. Bd. 19 Leipzig-Mannheim; Brockhaus 1998
  • 04 Gawlik W, Buchmann W. Homöopathie in der Weltliteratur. New York; Barthel & Barthel Verlag 1999
  • 05 Mann T. Die Buddenbrooks. Frankfurt; Fischer 2002
  • 06 Mann T. Doktor Faustus. Frankfurt; Fischer 2003
  • 07 Mann T. Tonio Kröger. Frankfurt; Fischer 2003
  • 08 Ortega P S. Die Miasmenlehre Hahnemanns. Heidelberg; Haug 1991
  • 09 Schroyens F. Synthesis Repertorium homoeopathicum syntheticum. Edition 7 Greifenberg; Hahnemann Institut 1998
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  • 11 Walter C. Zur Psychopathologie der Figuren in Thomas Manns Roman „Doktor Faustus”. Düsseldorf; Europäische Hochschulschriften Bd. 1267 1991
  • 12 Weihe C. Thea chinensis. Veröffentlicht im Internet www.form-homoeopathie.de
  • 13 Whitmont E C. Der Traum in der homöopathischen Praxis. Göttingen; Ulrich Burgdorf Verlag 1998
  • 14 Whitmont E C. Psyche und Substanz. Göttingen; Ulrich Burgdorf Verlag 1997

01 Es ist bekannt, dass Hermann Hesse im Jahr 1935 Thomas Mann den Schmetterling Hetaera esmeralda gezeigt hat.

02 Dies kann als eine Anspielung auf Auerbachs Keller und Nietzsches ausschweifendes Leben mit seinen Bordellbesuchen in Leipzig gewertet werden. Nietzsche verstirbt auf den Tag genau 40 Jahre vor Adrian Leverkühn an Syphilis.

03 Es ist bekannt, dass für Pfeiffering der oberbayerische Ort Polling Vorbild war. Dort wohnte die Mutter von Thomas Mann, Julia Mann. Thomas Mann selbst hat in Polling mehrmals Urlaub gemacht.

04 Der Gestalt des Nepomuk diente der älteste Enkel von Thomas Mann, Frido, als Vorbild.

05 Vgl. dazu auch den Exkurs zum Thema Nacht und die Ausführungen zu Stramonium.

06 Vgl. auch die Ausführungen zum Thema der kleinen Seejungfrau.

07 Vgl. auch die Ausführungen zu den Augenfarben im Werk Thomas Manns.

08 Das homöopathische Mittel Opium entspricht der Eiseskälte Adrians.

09 In den Hexentrünken ist bekannterweise Stramonium, Hyoscyamus und Belladonna enthalten gewesen.

10 Vgl. die Ausführungen zu Stramonium als Mittel der Hurenwirte.

11 Für Gawlik [[4]] zeigen sich in der Walpurgisnacht die Symptome von Hyoscyamus und Stramonium: „Phantasien und Delirien, Exaltiertheit und Heftigkeit, Beziehungen zu Tieren und Gespenstern, Bedürfnis nach okkulter Gesellschaft und Schamlosigkeit mit Wildheit und Zauberwesen” (S. 311).

12 Esmeralda, der Falter der Studien in den Kindertagen, und die Prostituierte Esmeralda: der Falter der Nacht. Seite 21: „… den dämmernden Laubschatten liebend.”

13 Im Dr. Faustus findet sich auf Seite 365 folgendes Zitat: „… vielleicht muss man das Gute die Blüte des Bösen nennen - une fleur du mal”.

14 Besonders auffällig ist dies zu Beginn des 1. Weltkriegs.

15 Tabacum - ein weniger bekanntes Mitglied der Familie der Solanaceae spielt eine wichtige Rolle für Leverkühn: Auf die Inhalation von Tabak kann er nicht verzichten, er konnte Tabak auch nicht während seiner Migräneattacken entbehren - er braucht das Tabakrauchen für seine Arbeit (S. 420).

16 Stramonium wird aufgrund der tief gehenden und zerstörenden Pathologie dem syphilinischen Miasma zugeordnet.

17 Hinweis: Während der Menigitis entwickelt der kleine Nepomuk eine akute Belladonna-Symptomatik.

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