Laryngorhinootologie 2007; 86(1): 22-26
DOI: 10.1055/s-2006-925426
Originalien

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lassen sich auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) bei Kindern mit Lese-Rechtschreib-Störungen nachweisen?

Are there Auditory Processing and Perception Disorders in Children with Dyslexia?R.  Schmidt1 , K.  Winter1 , C.  Tesch-Römer2 , S.-M.  Behrndt3 , M.  Steffen4 , T.  Nawka1
  • 1Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten, Kopf- und Hals-Chirurgie, Greifswald (Direktor: Prof. Dr. med. Werner Hosemann)
  • 2Deutsches Zentrum für Altersfragen, Berlin (Direktor: Dr. Clemens Tesch-Römer)
  • 3Kooperatives Förderzentrum Greifswald
  • 4Familien- und Suchtberatungsstelle, Greifswald
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Publication History

eingereicht 18. Juni 2005

akzeptiert 22. März 2006

Publication Date:
17 May 2006 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: In dieser Arbeit wird der Frage nachgegangen, wie bei Kindern mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) die dichotischen Tests und die CERA (Cortical Evoked Response Audiometry) als mögliche Hinweise auf eine auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) ausfallen. Patienten und Methode: Eine Gruppe von 33 Kindern mit LRS wurde mit einer Gruppe von 28 Kindern, die im Schrifterwerb unauffällig waren, verglichen. Der Altersdurchschnitt betrug 9 Jahre. Es wurden folgende audiometrische Untersuchungen durchgeführt: Tympanometrie, Tonschwellenaudiometrie, Sprachaudiometrie, dichotische Tests nach Uttenweiler und Feldmann, CERA nach Esser. Ergebnisse: Die Quotienten im Intelligenztest der Gruppe der Kinder mit LRS waren signifikant niedriger. Von den audiometrischen Untersuchungen waren zwischen den beiden Gruppen nur der Uttenweiler- und der Feldmann-Test signifikant schlechter. Die späten akustisch evozierten Potenziale (SAEP) dagegen lagen bei beiden Gruppen im Normbereich oder wichen nur leicht von der Norm ab. Schlussfolgerung: Die dichotischen Tests stützen die Vermutung auf eine AVWS bei LRS, unterliegen aber auch kognitiven Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozessen. Durch die CERA nach Esser konnten keine Hinweise auf eine AVWS bei LRS gefunden werden.

Abstract

Background: In this paper the dichotic tests and the CERA (Cortical Evoked Response Audiometry) of children with dyslexia had been examined, in order to find out if there are auditory processing and perception disorders. Patients and Methods: 33 children with dyslexia had been compared with 28 children without problems of writing and reading. The mean age of the children was 9 years. All of the children had been examined by the following audiometric measurements: tympanometry, pure-tone-audiometry, speech-audiometry, dichotic Tests by Uttenweiler and Feldmann and the Cortical Evoked Response Audiometry (CERA) rated according to Esser. Results: The intelligence quotients were in the group of dyslexic children significantly lower. The Uttenweiler and Feldmann tests were in dyslexic children significantly lower in the control group as well. The late cortical responses ware normal or near normal in both groups. Conclusion: Dichotic speech tests indicate central auditory processing and perception deficits in dyslexia. These tests are confounded, however, by attention and memory deficits. The CERA rated according to Esser does not point out to these auditory disorders in dyslexia.

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Dr. Reinhard Schmidt

Universitäts-HNO-Klinik, Audiologische Abteilung

Rathenaustraße 43 - 45
17487 Greifswald

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