Suchttherapie 2005; 6 - A20
DOI: 10.1055/s-2005-923741

Alkoholkonsum in Methadonsubstitution – keine Suchtverlagerung Alcohol Consumption in Methadone Maintenance – No objective Relationsship

B Lieb 1, M Specka 1, I Sick 1, U Bonnet 1, N Scherbaum 1
  • 1Klinik für abhängiges Verhalten und Suchtmedizin, Rheinische Kliniken Essen, Kliniken der Universität Duisburg-Essen

Die Methadonsubstitution ist eine etablierte Therapie der Opiatabhängigkeit. Hierbei gelingt bei der Mehrheit der Patienten die Reduktion des Heroinkonsums und assoziiertem Risikoverhalten. Allerdings wird kontrovers über den Einfluss der Substitution auf den so genannten „Beigebrauch“ anderer Drogen (d.h. den Konsum anderer Substanzen parallel zur Opiatsubstitutionsbehandlung) diskutiert. So erfüllt ca. ein Drittel aller Substituierten die ICD-10-Kriterien alkoholbezogener Störungen (Alkoholabhängigkeit/-missbrauch). Dies kann als mögliche Suchtverlagerung vom Heroin auf Alkohol interpretiert werden. Ziel unserer Studie war es, die Hypothese der Suchtverlagerung zu prüfen. Dabei wurde der Alkoholkonsum mittels des Addiction Severity Index (ASI), klinischen Daten (AAK-Kontrollwerte) sowie alkoholsensitiver Laborparameter des Routinelabors (GGT, GOT, GPT und MCV) beurteilt. Eingang in die Untersuchungsergebnisse fanden die Daten aller zwischen 1995 bis 2001 substituierten Patienten, welche eine ununterbrochene Therapiespanne von mindestens 12, besser 24 Monaten aufwiesen. Bei diesen Patienten wurden Untersuchungen zum Zeitpunkt t0 (bei Aufnahme), t1 (nach 12 Monaten) und t2 (nach 24 Monaten, wenn vorhanden) miteinander verglichen. Aufgrund von fehlenden Daten mussten von ursprünglich 111 Individuen 23 ausgeschlossen werden. Es fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen der Gruppe der von der Auswertung ausgeschlossenen Patienten und der Studienpopulation (n=88) hinsichtlich Suchtanamnese und soziobiographischer Variablen. Daten von 51 Patienten konnten über den Zeitraum von 12 Monaten, 37 sogar über eine ununterbrochene Therapiezeit von 24 Monaten evaluiert werden.

Wir fanden keinen signifikanten Anstieg von GOT und GPT zwischen den angegebenen Messzeiträumen im Vergleich der Mittelwerte. Beim Vergleich der GGT und des MCV fand sich ein leichter Anstieg über alle Beobachtungszeiträume (MW MCV in fl.±SA von t0 bis t1: von 92,2±3,9 auf 93,4±4,6; von t0 bis t2: von 91,5±4,4 auf 92,5±3,9; MW GGT in U/l±SA von t0 bis t1: von 45,5±72,1 auf 74,6±121,7; von t0 bis t2: von 47,1±59,9 auf 68,3±100,9). Angesichts der großen Standardabweichung wurde der Vergleich der Mittelwerte ergänzt um eine Auswertung anhand von Kreuztabellen, um zu prüfen, ob es einen erhöhten Wechsel von Patienten von der Kategorie unauffällige Laborwerte zu auffälligen Laborwerten gab. Hierbei ergaben sich keine signifikanten Unterschiede bei der Zuordnung der Patienten zu den verschiedenen Kategorien im Zeitverlauf. Dies stützt die These, dass es nicht generell zu einer Suchtverlagerung kam, sondern bei Patienten mit einem vorbestehenden äthyltoxischen Leberschaden eine weitere Verschlechterung der Laborparameter stattfand. Im ASI zeigte sich ein signifikanter Anstieg der Trinktage innerhalb der letzten 30 Tage von 7,6 (t0) auf 12,1 (t1) bzw. 6,2 (t0) auf 13 (t2) unter der Substitution. Eine mögliche Erklärung mag sein, dass die Patienten bei Aufnahme der Substitution den Alkoholkonsum bagatellisiert haben, um ihre Teilnahme nicht zu gefährden. Es wurden keine statistisch-signifikanten Korrelationen zwischen Trinktagen und alkoholsensitiven Laborparametern gefunden.

Zusammenfassend kann aufgrund dieser Verlaufsbeobachtung postuliert werden, dass sich zwar der Alkoholkonsum komorbid-alkoholabhängiger Patienten i.R. einer Opiat-Substitutionstherapie weiter erhöht, sich aber unter den übrigen opiatabhängigen Patienten kein in alkoholsensitiven Laborparametern fassbares Alkoholproblem ausbildet. Die These der Suchtverlagerung unter Methadonsubstitution wurde somit nicht belegt. Auf der anderen Seite stellt die adäquate Behandlung schwer komorbid Alkoholabhängiger Patienten innerhalb der Gruppe der substituierten Opiatabhängigen ein erhebliches Problem und eine noch nicht abschließend beantwortete Herausforderung an die Suchtmedizin dar.