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Aufmerksamkeitsdefizit Hyperaktivitätssyndrom (ADHS):
Kardinalsymptome sind Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsdefiz:ite und eine Impulskontrollstörung. Die Symptome müssen im Verhältnis zum Alter und der Intelligenz ausgeprägt sein, situationsübergreifend in Familie, Kindergarten oder Schule auftreten, vor dem 6. Lebensjahr beginnen und andauernd sein, d.h. >1/2 Jahr anhalten.
Ein Kernproblem von ADHS ist eine Entwicklungsverzögerung, sowie eine Störung der Impuls- und Selbstkontrolle. In Bezug auf die zeitliche Dimension, sind diese Kinder und Jungendlichen „kurzsichtig“, sie leben ganz im Hier und Jetzt. Die Fähigkeit, ihr Verhalten mit Blick auf die Zukunft und folgende Konsequenzen zu regulieren, ist eingeschränkt. (Barkley 2002) Ätiologie: Es wird eine multifaktorielle Genese angenommen, wobei eine genetische Disposition für Hirnorganische Veränderungen entscheidend zu sein scheint, welche die frontokortikale Inhibitionsfähigkeit und die exekutiven Funktionen beeinträchtigen. Es finden sich Veränderungen des Neurotransmitterstoffwechsels, v.a. Dopamin und Noradrenalin. Die psychosozialen Bedingungen scheinen v.a. die Ausprägung und den Verlauf zu beeinflussen.
Epidemiologie: ADHS lässt sich bei 3–6% der Kinder zwischen 4–16 Jahre finden. Die Symptomatik persistiert bei ca. 75% bis ins Jugendalter und bei 50% bis ins Erwachsenenalter.
Sucht und ADHS:
Der Zusammenhang zwischen Sucht und ADHS ist letztlich unklar. Bei Jugendlichen mit ADHS finden sich bei 1/3 Anzeichen eines Drogenmissbrauchs oder einer Abhängigkeit. Das Risiko eine Suchtstörung zu entwickeln, ist bei ADHS um das zwei- bis dreifache erhöht. Existiert neben dem ADHS noch eine Störung des Sozialverhaltens, ist das Risiko noch höher. Bei Jugendlichen mit ADHS beginnt der Drogenmissbrauch früher und der Verlauf ist schwerer und länger. Lebensgeschichtlich tritt ADHS vor der Sucht auf. Eine genetische Grundlage und familiäre Einflussfaktoren, scheinen für beide Störungen relevant zu sein. Kinder und Jugendliche mit ADHS erfüllen häufig die Erwartungen ihrer Umwelt nicht. Es kommt zu Abwertungen, Ausgrenzungen, wenig Akzeptanz bei den Gleichaltrigen und in der Folge zu Frustration, mangelndem Selbstwertgefühl und einer Verstärkung komorbider Symptome. Durch den Konsum von Drogen finden die Jugendlichen Akzeptanz in der Gruppe der Konsumenten. Unruhe, Angst, Aggressivität und depressive Symptome werden durch den Konsum von z.B. Cannabis subjektiv gemindert. Die durch die ADHS Symptomatik verstärkt erfahrene Ausgrenzung, Abwertung, etc. kann mithilfe der Drogen im Sinne einer Selbstmedikation zumindest vorübergehend gelindert werden. (Wilens 2004) Die Hauptdroge ist Cannabis. Amphetamine und Kokain werden nicht ungleich häufiger von Jugendlichen mit ADHS konsumiert.
Sucht, ADHS und Medikation:
Stimulanzien, wie z.B. Methylphenidat, zeigen eine gute Wirkung bei ADHS. Ein direkter Effekt auf den Substanzmissbrauch konnte nicht nachgewiesen werden. Eine bestehende Suchtproblematik wird durch Stimulanzien nicht verstärkt. Die Behandlung führt bei entsprechender Indikation zu keiner Suchtentwicklung. Das deutlich erhöhte Risiko bei ADHS eine Suchtstörung zu entwickeln, wird durch eine frühzeitige und multimodale Therapie auf das Niveau gesenkt, wie bei Kindern und Jugendlichen ohne ein ADHS. Methylphenidat verursacht bei sachgemäßer Einnahme keinen „kick“, wie andere Stimulanzien oder Kokain. Alternativ können Retardpräperate oder Antidepressiva verordnet werden.
Zur Beurteilung der ADHS Symptomatik, ist eine mindestens einmonatige Drogenabstinenz wünschenswert. Ein ausgeprägter Substanzmissbrauch muss vorrangig behandelt werden, ggf. auch stationär. Ärzte und Therapeuten sollten mit der Drogenproblematik und ADHS vertraut sein. Medikation ist dabei Teil eines multimodalen Therapieansatzes. (Wilens 2004)
Sucht:
Auch die Ursache der Sucht ist multifaktoriell. Hier sei auf ein Ergebnis der Adverse Childhood Experience Study (ACE Studie) hingewiesen. Untersucht wurden die Ursachen der zehn häufigsten Todesursachen, u.a. die Sucht. Verglichen wurde der Gesundheitszustand bei Erwachsenen mit belastenden Kindheitserfahrungen. Es zeigte sich, dass der Konsum von Nikotin, Alkohol und intravenösen Drogenkonsum, proportional zu dem Ausmaß negativer Kindheiterfahrungen war. (Felitti 2003)
Zusammenfassung:
Bei drogenmissbrauchenden Jugendlichen kann ADHS Teil eines komplexen Krankheitsgeschehens sein, wenn es in der Kindheit nicht frühzeitig erkannt und behandelt wird. ADHS kann in einen Kreislauf der Ausgrenzung und Abwertung führen, wobei Drogen im Sinne eines Selbstheilungsversuches von den Jugendlichen genommen werden.
Literaturverzeichnis:
Barkley R. Das große ADHS-Handbuch für Eltern. Bern 2002.
Felitti V. Ursprünge des Suchtverhaltens: Evidenz aus einer Studie zu den belastenden Kindheitserfahrungen. Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 2003; 52: 547–559.
Wilens T. Attention-deficit / hyperactivity disorder and the substance use disorders: the nature of the relationship, subtypes at rik, and treatment issues. Psychiatr Clin N Am 2004; 27: 283–301.