Geburtshilfe Frauenheilkd 2005; 66 - FV4_6
DOI: 10.1055/s-2005-920780

Mechanismen der peripheren Immuntoleranz beeinflussen die Pathogenese gestations-spezifischer Erkrankungen

A Steinborn 1, E Schmitt 2, V Rebmann 3, H Grosse-Wilde 3, C Sohn 4
  • 1Universitäts-Frauenklinik, D-Heidelberg
  • 2Institut für Immunologie, Universität Mainz, D-Mainz
  • 3Institut für Immunologie, Universitätsklinik Essen, D-Essen
  • 4Universitäts-Frauenklinik Heidelberg, D-Heidelberg

Fragestellung: In der Schwangerschaft stellt der Fetus ein allogenes Transplantat dar. Im Rahmen dieser Untersuchungen soll geklärt werden, ob Mechanismen der peripheren Immuntoleranz (Sekretion löslicher HLA-Moleküle, Induktion regulatorischer T-Zellen) die Pathogenese gestations-spezifischer Erkrankungen beeinflussen.

Methodik: Die Konzentration an löslichen polymorphen HLA-Klasse-I (HLA-ABC) und nicht-polymorphen HLA-Klasse-I (HLA-G) Molekülen wurde im maternalen Kreislauf von Patientinnen mit normalem Schwangerschaftsverlauf und Patientinnen mit unterschiedlichen gestations-spezifischen Erkrankungen (Präeklampsie, HELLP-Syndrom, vorzeitige Plazentalösung, vorzeitige intrauterine Aktivierung) bestimmt. Mithilfe von Mixed-Lymphocyte-Culture (MLC) Reactions wurde die allogene T-Zell-Antwort von nicht schwangeren Frauen, schwangeren Frauen und schwangeren Frauen mit unterschiedlichen gestations-spezifischen Erkrankungen (Präeklampsie/HELLP-Syndrom, unhemmbare vorzeitige Wehentätigkeit, vorzeitiger Blasensprung, Intrauterine Wachstumsretardierung) untersucht. Dazu wurden periphere mononukleäre Blutleukozyten (PBMCs) der unterschiedlichen Patientinnengruppen mit PBMCs von nicht-verwandten Spendern stimuliert und mittels autologer Kontrollstimulation die jeweiligen Stimulationsindices (SIs) errechnet. PBMCs von schwangeren Frauen wurden zusätzlich mit PBMCs des eigenen Feten stimuliert.

Ergebnisse: Im Vergleich zu Patientinnen mit normalem Schwangerschaftsverlauf weisen Patientinnen mit Präeklampsie signifikant erhöhte Konzentrationen an löslichen polymorphen HLA-Klasse-I (HLA-ABC) Molekülen auf, während bei Patientinnen mit vorzeitiger Plazentalösung die Konzentrationen an löslichen nicht-polymorphen HLA-Klasse-I (HLA-G) Molekülen signifikant erniedrigt sind. MLCs zeigen, dass schwangere Frauen im Vergleich zu nicht-schwangeren Frauen bei allogener Stimulation eine signifikant erniedrigte T-Zellantwort aufweisen. Die maternale T-Zellreaktivität ist noch mal deutlich reduziert, wenn Stimulatorzellen des eigenen Feten verwendet werden. Bei allogener Stimulation zeigen Patientinnen mit normaler Schwangerschaft am Termin und Patientinnen mit unterschiedlichen Erkrankungen keine signifikanten Unterschiede in den SIs. Im Gegensatz dazu weisen Patientinnen mit vorzeitigem Blasensprung im Vergleich zu Patientinnen mit normalem Schwangerschaftsverlauf signifikant erhöhte SIs auf, wenn Stimulatorzellen des eigenen Feten verwendet werden.

Schlussfolgerung: Sowohl polymorphe HLA-Klasse-I (HLA-ABC) als auch nicht-polymorphe HLA-Klasse-I (HLA-G) Moleküle üben einen wesentlichen Einfluss auf die Immunhomöostase in der Schwangerschaft aus. Die verminderte Allo-Reaktivität maternaler T-Zellen ist möglicherweise auf die Induktion von regulatorischen T-Zellen in der Schwangerschaft zurückzuführen. Patientinnen mit vorzeitigem Blasensprung weisen offensichtlich eine verstärkte T-Zell-Reaktivität speziell gegenüber dem eigenen Feten auf.