Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P614
DOI: 10.1055/s-2005-919645

Erhöhte Schwesterchromatid-Austauschrate in nicht-neuronalen Zellen von Patienten mit sporadischer ALS

J Prudlo 1, T Meyer 1, A.C Ludolph 1, J König 1, K Roemer 1, S Reichardt 1, K Zang 1, Y Mehraein 1
  • 1Homburg/Saar, Berlin, Ulm

Fragestellung: Die Ätiologie der sporadischen Amyotrophen Lateralsklerose (SALS) ist nahezu unbekannt. Ausgehend von der Beobachtung einer erhöhten Prävalenz konstitutioneller chromosomaler Struktur-Aberrationen mit Beteiligung variabler Loci bei SALS [Meyer T et al. 2003] geht die folgende Untersuchung der Frage nach, ob es Hinweise auf eine chromosomale Instabilität bei der SALS gibt.

Methoden: 48 SALS-Patienten und 19 Kontrollen wurden auf spontane Schwesterchromatidaustausche (SCE), Chromosomenbrüche (CB) und mitotische Aktivität in peripheren Blutlymphozyten untersucht. SCE sind reziproke DNA-Austausche zwischen Schwesterchromatiden eines sich replizierenden Chromosoms. Erhöhte SCE- (>8/Zelle) und CB-Raten (>0,1) können als unspezifische Marker ein erhöhtes Ausmaß an DNA-Schädigung, aber auch eine gestörte DNA-Reparatur anzeigen. Für die SCE-Analyse wurden pro Fall 20 Metaphasezellen nach Bromdesoxyuridin (BrdU)-Zusatz ausgewertet, für die CB-Analyse 50–100 Metaphasezellen. Die mitotische Aktivität wurde indirekt durch die Teilungsrate (1. Mitose/2.Mitose) nach BrdU-Exposition ermittelt.

Ergebnisse: Die durchschnittliche SCE-Rate/Metaphase betrug in der SALS-Gruppe 15,52 (SD 10,80), in der Kontrollgruppe 7,66 (SD 1,84), p=0,000002. 19% der SALS-Patienten hatten keine erhöhten SCE-Werte (<8 SCE/Zelle), 81% hatten erhöhte Werte (>8 SCE/Zelle) und 21% hatten sehr stark erhöhte Werte (20–55,3 SCE/Zelle). Chromosomale Einzel- und Doppelstrangbrüche (CB) waren im SALS-Kollektiv 3,5 fach häufiger (p=0,001). 40% der SALS-Patienten hatten CB-Raten >0,1. Erhöhte SCE- und CB-Raten korrelierten signifikant (Spearmans r=0,71; p<0,0001). Es fand sich eine im SALS-Kollektiv signifikant reduzierte mitotische Aktivität (M1/M2-ratio 12,94 vs. 1,34; p=0,0004).

Schlussfolgerung: SCE-Raten und nicht-konstitutionelle Chromosomen-brüchigkeitsraten sind in peripheren Blutlymphozyten bei einer Mehrzahl von SALS-Patienten im Vergleich zu einem gesunden Kontrollkollektiv erhöht. Zusammen mit der Beobachtung einer erhöhten Rate konstitutioneller chromosomaler Strukturaberrationen unterstützen diese Daten die Hypothese einer möglichen Beteiligung einer genetischen Instabilität am Pathomechanismus der SALS.