Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen

Einleitung

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) galt lange Zeit als eine Erkrankung ausschließlich des Kindes- und Jugendalters; Verlaufsstudien und epidemiologische Erhebungen haben aber ein Fortbestehen der Störung ins Erwachsenenalter gezeigt. Die Wahrnehmung und damit die Diagnostik der Erkrankung bei Erwachsenen gestaltet sich relativ kompliziert, weil nach der Pubertät ein Symptomwandel eintritt, der häufig nicht mehr die Assoziation mit dem Bild des Zappelphilipps zulässt. Die Symptomatik einer ADHS kann sich auch hinter einer komorbiden psychiatrischen Störung, die im Erwachsenenalter bei bis zu 80 % der Patienten vorhanden ist, verbergen, so dass der Untersucher die bisher wenig bekannte Störung ADHS des Erwachsenenalters nicht in Erwägung zieht. Die Kernsymptome der ADHS wie Konzentrationsstörungen, mangelnde Organisation des Alltagsablaufs, Ablenkbarkeit und ineffizienter Arbeitsstil sind bei den meisten Erwachsenen in nicht krankheitswertiger Ausprägung zeitweise mehr oder minder vorhanden [1]; dies verleitet viele Kollegen zu der Annahme, es handele sich nicht um ein eigenständiges Krankheitsbild.

Die ADHS unterliegt bei Fortbestehen im Erwachsenenalter einem Symptomwandel, der die Diagnose erschwert, gehäufte psychiatrische Komorbiditäten verschleiern häufig das Krankheitsbild.

Die meisten Betroffenen leiden unter erheblichen Erinnerungslücken; so wird der für die Diagnose notwendige Nachweis des Beginns der Störung in der Kindheit oft schwierig, gute Hinweise geben häufig die Kopfnoten der Zeugnisse aus der Grundschulzeit. Es gibt keinen sicheren Nachweis-Test, weder auf biologischer noch auf testpsychologischer Basis, die Diagnose einer ADHS im Erwachsenenalter ist also eine „klinische Diagnose”, die aufgrund eines semistrukturierten Interviews mit dem Patienten, des darin erhobenen aktuellen psychopathologischen Befundes und der anamnestisch eruierbaren Symptome im Kindesalter und des Verlaufes gestellt wird [2] [3].

Die Kindheitsanamnese mit der Erfassung entsprechender Symptome ist für die Diagnose essenziell.

Die Behandlung Erwachsener mit der Diagnose ADHS führt zu erheblicher Verbesserung von Lebensqualität und psychosozialer Funktion.

Es ist deshalb eine möglichst breite Kenntnis der Erkrankung bei den Erwachsenenpsychiatern anzustreben. Der Verlauf der häufig vorkommenden komorbiden Störungen wird durch die zusätzliche Behandlung der ADHS günstig beeinflusst, unbefriedigende Therapieverläufe bei Patienten mit einer undiagnostizierten ADHS, die ausschließlich wegen der anderen Störung behandelt wurden, können darin eine Erklärung finden.

• 1 Murphy K R, Adler L A. Assessing attention-deficit/hyperactivity disorder in adults: focus on rating scales.  J Clin Psychiat. 2004;  65 (Suppl. 3) 12-17
• 2 Ebert D, Krause J, Roth-Sackenheim C. ADHS im Erwachsenenalter - Leitlinien auf der Basis eines Expertenkonsensus mit Unterstützung der DGPPN.  Nervenarzt. 2003;  74 939-946
• 3 Krause K H, Krause J, Trott G E. Das hyperkinetische Syndrom (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) im Erwachsenenalter.  Nervenarzt. 1998;  69 543-556
• 4 Faraone S V, Biederman J. Neurobiology of attention-deficit hyperactivity disorder.  Biol Psychiatry. 1998;  44 951-958
• 5 Wender P H. Attention-deficit hyperactivity disorder in adults. New York-Oxford: Oxford University Press 1995
• 6 Biederman J. Impact of comorbidity in adults with attention-deficit/hyperactivity disorder.  J Clin Psychiat. 2004;  65 (Suppl. 3) 3-7
• 7 Faraone S V, Perlis R H, Doyle A E, Smoller J W, Goralnick J J, Holmgren M A, Sklar P. Molecular genetics of attention-deficit/hyperactivity disorder.  Biol Psychiatry. 2005;  57 1313-1323
• 8 Dougherty D D, Bonab A A, Spencer T J, Rauch S L, Madras B K, Fischman A J. Dopamine transporter density in patients with attention deficit hyperactivity disorder.  Lancet. 1999;  354 2132-2133
• 9 Krause K H, Dresel S H, Krause J, Kung H F, Tatsch K. Increased striatal dopamine transporter in adult patients with attention deficit hyperactivity disorder: effects of methylphenidate as measured by single photon emission computed tomography.  Neurosci Lett. 2000;  285 107-110
• 10 Krause K H, Dresel S H, Krause J, la Fougere C, Ackenheil M. The dopamine transporter and neuroimaging in attention deficit hyperactivity disorder.  Neurosci Biobehav Rev. 2003;  27 605-613
• 11 Spencer T J, Biederman J, Madras B K, Faraone S V, Dougherty D D, Bonab A A, Fischman A J. In vivo neuroreceptor imaging in attention-deficit/hyperactivity disorder: a focus on the dopamine transporter.  Biol Psychiatry. 2005;  57 1293-1300
• 12 Weltgesundheitsorganisation .Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10. Bern: Huber 1991
• 13 American Psychiatric Association .Diagnostic and statistical manual of mental disorders, 4.th edition (DSM IV). Washington DC: American Psychiatric Association 1994
• 14 Krause J, Krause K H. ADHS im Erwachsenenalter. Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen. 2. Auflage. Stuttgart: Schattauer 2005
• 15 Ward M F, Wender P H, Reimherr F W. The Wender Utah Rating Scale: an aid in the retrospective diagnosis of childhood attention deficit hyperactivity disorder.  Am J Psychiatry. 1993;  150 885-890
• 16 Retz-Junginger P, Retz W, Blocher D, Weijers H G, Trott G E, Wender P H, Rösler M. Wender Utah Rating Scale (WURS-k). Die deutsche Kurzform zur retrospektiven Erfassung des hyperkinetischen Syndroms bei Erwachsenen.  Nervenarzt. 2002;  73 830-838
• 17 Conners C K, Erhardt D, Sparrow E. Conners' Adult ADHD Rating Scales (CAARS). North Tonawanda, NY: Multi-Health Systems 1999
• 18 Schöchlin C, Engel R R. Neuropsychological performance in adult attention-deficit hyperactivity disorder: meta-analysis of empirical data.  Arch Clin Neuropsychol. 2005;  20 727-744
• 19 Fone K C, Nutt D J. Stimulants: use and abuse in the treatment of attention deficit hyperactivity disorder.  Curr Opin Pharmacol. 2005;  5 87-93
• 20 Faraone S V, Spencer T, Aleardi M, Pagano C, Biederman J. Meta-analysis of the efficacy of methylphenidate for treating adult attention-deficit/hyperactivity disorder.  J Clin Psychopharmacol. 2004;  24 24-29
• 21 Sobanski E, Alm B. Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Erwachsenen.  Nervenarzt. 2004;  75 697-716
• 22 Weiss M D, Weiss J R. A guide to the treatment of adults with ADHD.  J Clin Psychiat. 2004;  65 (Suppl. 3) 27-37
• 23 Wilens T E, Faraone S V, Biederman J, Gunawardene S. Does stimulant therapy of attention-deficit/hyperactivity disorder beget later substance abuse? A meta-analytic review of the literature.  Pediatrics. 2003;  111 179-185
• 24 Krause J, la Fougere C, Krause K H, Ackenheil M, Dresel S H. Influence of striatal dopamine transporter availability on the response to methylphenidate in adult patients with ADHD.  Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci. 2005;  255 428-431
• 25 Michelson D, Adler L, Spencer T, Reimherr F W, West S A, Allen A J, Kelsey D, Wernicke J, Dietrich A, Milton D. Atomoxetine in adults with ADHD: two randomized, placebo-controlled studies.  Biol Psychiatry. 2003;  53 112-120
• 26 Heßlinger B, Philipsen A, Richter H. Psychotherapie der ADHS im Erwachsenenalter. Göttingen: Hogrefe 2004