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DOI: 10.1055/s-2005-918112
Keine „ganz normale sexuelle Funktionsstörung“ – ein Fall von Asphyxiophilie
Die Asphyxiophilie (auch als Hypoxyphilie bzw. autoerotische Selbststrangulation bezeichnet) gehört zu den sehr seltenen Paraphilien. Kasuistiken bzw. kleine Fallserien sind überwiegend in rechtsmedizinischen Zeitschriften publiziert, nachdem Betroffene in Folge der Selbststrangulation verstorben sind. Berichte über Menschen, die dieser sexuellen Praktik nachgehen und darüber berichten, finden sich kaum, noch seltener sind Fallberichte über Asphyxiophilie bei Frauen. Grund dafür sind neben ausgeprägten Scham- und Schuldgefühlen der Betroffenen möglicherweise auch mangelnde diagnostische Kenntnisse bzw. fehlende Sensibilität für Paraphilien bei Ärzten und Psychologen, die Patientinnen mit Sexualstörungen behandeln.
Es soll der Fall einer Frau vorgestellt werden, die sich in der ambulanten Sprechstunde der Gynäkologischen Psychosomatik am Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde Bonn wegen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr vorstellte. Obwohl sie bereits seit 1 Jahr in sexualmedizinischer Behandlung war (bei einem männlichen Psychotherapeuten) suchte sie weitere Hilfe. Im Gesprächsverlauf zeigte sich, dass bis zu diesem Zeitpunkt noch kein Geschlechtsverkehr stattgefunden hatte und jeglicher genitaler sexueller Kontakt vermieden wurde, so dass zunächst von sexueller Aversion ausgegangen wurde. Im weiteren Gesprächsverlauf ergaben sich dann Hinweise auf Autoerotik in Form von Selbststrangulation, die durch gezielte sexualanamnestische Fragen weiter erhärtet wurde. Bei der Patientin wurden ein hoher Leidensdruck sowie weiterer Gesprächsbedarf erkennbar, wobei ihr dies offenbar nur bei der weiblichen Therapeutin möglich war.
Das Fallbeispiel verdeutlicht, wie wichtig umfassende Kenntnisse über Dysfunktionen einschließlich seltener Paraphilien in der gezielten Exploration sexueller Probleme sind. Gerade um einer Patientin eine „Gesprächsbrücke“ bauen zu können, müssen ausreichende diagnostische Kompetenzen vorhanden sein und „indirekte“ Hinweise erkannt werden. Das Fallbeispiel verdeutlicht darüber hinaus, dass gerade im Zusammenhang mit sexuellen Funktionsstörungen das Therapeutengeschlecht von Bedeutung sein kann.