Fortschr Neurol Psychiatr 2005; 73 - A10
DOI: 10.1055/s-2005-918096

Kinder schizophrener Eltern. Welche Rolle spielt das Geschlecht des erkrankten Elternteils?

R Könnecke 1, W an der Heiden 1, H Häfner 1
  • 1Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim

Zielsetzung: Der Anteil schizophren erkrankter Frauen mit Kindern ist u.a. wegen ihres im Durchschnitt späteren Erkrankungsbeginns größer als der Anteil von Männern mit Kindern. Die Folgen davon sind bislang wenig systematisch untersucht worden. Im Rahmen der ABC-Studie, einer bevölkerungsbezogenen Untersuchung von ersthospitalisierten schizophrenen Erstepisoden-Patienten, wurden bei der Durchführung des 12-Jahres-Follow-up auch Kinder und Partner der Patienten aufgesucht und befragt. So war es möglich, die Daten dieser sog. Risikokinderstudie gemeinsam mit Verlaufsdaten des Erstepisodensamples auszuwerten. Dabei kann auf bereits vorgenommene Analysen der ABC-Studie zu Geschlechtsunterschieden aufgebaut werden.

Methoden: 35 Kinder von Patienten der ACB-Schizophreniestudie wurden mit demselben Instrument wie ihre Eltern, dem IRAOS (Interview für die retrospektive Erfassung des Erkrankungsbeginns und -verlaufs bei Schizophrenie und anderen Psychosen) interviewt. So war eine Erhebung der sozialen, schulischen und beruflichen sowie familiären Entwicklung und eine präzise Dokumentation von Krankheitsepisoden und -symptomatik möglich. Darüber hinaus erhielten wir von 77 Kindern Informationen über Entwicklungsbedingungen und Wechsel der Erziehungssituation in Kindheit und Jugend. Die Kinder selbst wurden außerdem nach Erfahrungen beim Aufwachsen mit einer schizophren erkrankten Mutter bzw. einem erkrankten Vater befragt. Die Auswertungen erfolgten mit quantitativen und qualitativen Methoden.

Ergebnisse: Von 107 der 232 Patienten/innen des Erstepisodensamples, die bei der Durchführung des 12-Jahres-Follow-up befragt wurden, hatten 43 Kinder, 12 Väter und 31 Mütter. Bezogen auf das Alter zu Erkrankungsbeginn zeigen sich jedoch nur bei den Frauen mit Kindern Unterschiede. Diese sind zu allen Stufen des Erkrankungsbeginns signifikant älter als Männer mit Kindern und als Patienten und Patientinnen ohne Kinder. Kinder schizophrener Väter wachsen öfter beim nicht-schizophren erkrankten Elternteil, in dem Fall bei der Mutter, auf als Kinder, deren Mutter erkrankt ist. Alleinerziehende Männer kommen im Gegensatz zu den Frauen nicht vor, und bei knapp einem Drittel der schizophren erkrankten Männer mit Kindern wird das Sorgerecht bereits bei der Geburt des Kindes allein von der Mutter wahrgenommen. Die häufigste Ursache von Wechseln der Betreuungssituation bei den Kindern sind Trennungen und Scheidungen der Eltern. Als spezielle Auswirkung der Erkrankung des Elternteils wird die häufige Übernahme von Haushaltspflichten und Verantwortung und eine forcierte frühe Selbständigkeit von den Kindern beschrieben. Belastungen entstehen v.a. durch Störungen der Kommunikation mit dem erkrankten Elternteil und durch den Verlust der elterlichen Fürsorge. Bezogen auf den schulischen und beruflichen Entwicklungsstand ergab ein Vergleich der interviewten Kinder mit individuell nach Alter und Geschlecht gematchten Kontrollen eine leichte Benachteiligung.