Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2005; 15 - A65
DOI: 10.1055/s-2005-917922

Massives Kontusionshämatom der Glutealmuskulatur als differentialdiagnostische Herausforderung in der klinischen Praxis – interdisziplinäre diagnostische Aufarbeitung eines erst „auf den zweiten Blick“ eindeutigen Falles

M Stieger 1, M Quittan 1, F Kainberger 1, K Pieber 1, S Hafner 1, V Fialka-Moser 1, R Crevenna 1
  • 1Univ.-Klinik für PMR, Wien

Fragestellung: Gerade Fälle aus der Sporttraumatologie stellen immer wieder höchstinteressante Herausforderungen für den Physikalischen Mediziner dar. Nicht immer sind diese klinisch und radiologisch auf den ersten Blick eindeutig zu diagnostizieren. Durch Präsentation einer Kasuistik einer Patientin mit massivem Kontusionshämatom der Glutealmuskulatur wird versucht, auf die Wichtigkeit einer gut funktionierenden interdisziplinären Zusammenarbeit fachkundiger Experten bei der Einbeziehung radiologischer Zusatzbefunde zur exakten Diagnosefindung bei „Problemfällen“ hinzuweisen.

Methode: Falldarstellung: Eine 51-jährige Patientin stürzte beim Eislaufen auf das Gesäß, nachdem sie knapp zuvor einen brennenden Schmerz im Bereich der rechten Hamstrings verspürt hatte. Mit dieser Anamnese und starken Schmerzen und Schwäche im Bereich der rechten Hamstrings wurde sie in weiterer Folge beim Unfallchirurgen sowie beim Physikalischen Mediziner vorstellig. Neben der klinischen Diagnose eines traumatischen Hämatoms wiesen die Ergebnisse der klinischen Untersuchung auch auf einen Ein-/Abriss im Bereich der Hamstrings (Schwäche) bzw. auf eine Schädigung des rechten N. ischiadicus (Schmerzausstrahlung) hin. Zur exakten Diagnosefindung wurde deshalb eine MRT durchgeführt, welche vom niedergelassenen (nicht-spezialisierten) Radiologen mit den Diagnosen „Hämatom“, sowie „Abriss der rechten M. semimembranosus-Sehne“ befundet wurde. Daraufhin wurde, nachdem von einem operativen Vorgehen abgesehen worden war, eine konservative Therapie (Elektrotherapie, Massage und Heilgymnastik) eingeleitet.

Ergebnis: Im Rahmen einer interdisziplinären Konferenz unter Teilnahme von Physikalischen Medizinern, Traumatologen und in der Osteologie besonders versierten Radiologen wurde die MRT „nachbefundet“ – und der Befund vom auswärtigen Radiologen revidiert. Eine wesentliche strukturelle Schädigung der Hamstrings bzw. des N. ischiadicus konnte nämlich ausgeschlossen werden. Das Kontusionshämatom zeigte jedoch eine so starke Ausprägung, dass die obengenannten Symptome, welche auch klinisch in eine andere Richtung wiesen, als Folge der lokalen Raumforderung interpretiert werden konnten. Das konservative Therapieregime wurde daher (in weiterer Folge in Kombination mit Medizinischer Trainingstherapie) mit der Intention einer Restitutio ad Integrum beibehalten.

Diskussion: Dieser Fallbericht weist einmal mehr auf die Wichtigkeit einer gut funktionierenden interdisziplinären Zusammenarbeit bei der Einbeziehung radiologischer Zusatzbefunde hin. Mögliche Fallstricke in der klinischen und bildgebenden Diagnostik werden anhand dieses außergewöhnlichen Problemfalles, der erst „auf den zweiten Blick“ richtig diagnostiziert werden konnte, demonstriert und diskutiert.