Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2005; 15 - A58
DOI: 10.1055/s-2005-917916

Sturzprophylaktische Maßnahmen und ihre Effizienz in der stationären Rehabilitation

W Schupp 1, R Schmidt 1
  • 1Fachklinik Herzogenaurach, Herzogenaurach

Fragestellung: Stürze gehören zu den häufigsten Zwischenfällen in Kliniken (1). Insbesondere in stationären Rehabilitationseinrichtungen für Orthopädie, Neurologie, Kardiologie und/oder Geriatrie werden in der Regel sehr viele Patienten mit hohem Sturzrisiko behandelt. Effiziente Maßnahmen und Hilfsmittel zur Sturzprophylaxe sind gefordert. In der Fachklinik Herzogenaurach wurde bereits ein internes Qualitätsmanagement zur Sturzprophylaxe im pflegerischen Alltag umgesetzt (2), zunehmend werden technische Hilfsmittel zusätzlich bei Hochrisiko-Patienten eingesetzt. Anhand der Daten zu klinikinternen Sturzereignissen 2004 soll die Effizienz dieser Maßnahmen eingeschätzt werden.

Methode: Zur Erfassung der Stürze mit Verletzungsfolgen hat sich die routinemäßige Auswertung der Verletzungsmeldungen an die zuständige Berufsgenossenschaft bereits bewährt (2). Patienten mit hohem Sturzrisiko gemäß standarisiertem Assessment-Instrument (3) wurden zusätzlich mit technischen Hilfsmitteln versorgt. Bei diesen Personen wurden ab 2004 auch systematisch alle Stürze ohne Verletzungsfolge im Pflegebericht erfasst und ausgewertet. Die Daten wurden mittels deskriptiver statistischer Methoden erfasst und mit vergleichbaren Daten in der Literatur (1, 3) gegenüber gestellt.

Ergebnis: Die klinikinterne Sturzrate (Sturzereignisse, aufgenommene Patienten) für Stürze mit Verletzungsfolgen aller Art konnte von 0,57% im Jahre 2003 auf 0,44% in 2004 (0,2 Stürze pro 1000 Pflegetage) reduziert werden. 61 Patienten (41 männlich, 20 weiblich) wurden wegen hohem Risiko in der Skala „Diagnostik von Gehstörungen mit Sturzgefahr“ (Mittelwert dieser Gruppe 9 Punkte, beginnendes Risiko ab 4 Punkte) mit technischen Hilfsmitteln versorgt. Das Durchschnittsalter lag bei 72,3 Jahre (Range 33–94 Jahre). Die Hauptbehandlungsdiagnose war bei 72,1% neurologisch, bei 16,4% orthopädisch und bei 11,5% kardiologisch. Der Mittelwert des Barthel-Index lag bei 36,9 Punkten (Range 0–70 Punkte). Das hohe Sturzrisiko war insbesondere gegeben durch krankheitsbedingte Gehstörungen (53x), Multimedikation (54x) und ADL-Defizite (60x). Die Patientengruppe erhielt 48x Hüftprotektoren, 15x Bewegungsmatten, 8x Spiegelfolien an den Türinnenseiten, 4x Geräuschmelder, 4x Bodenlagerungen und 2x Kopfschutzhelme. 14 Patienten erhielten zwei Hilfsmittel, 1 Patient sogar drei. Der Versorgungszeitraum mit den genannten Hilfsmitteln lag im Mittel bei 18,8 Tagen (Range 1–51).

Von diesen Patienten stürzten im Versorgungszeitraum 13 Patienten (21,3%) ohne Folgen, davon 8 Patienten je einmal und 5 Patienten bis zu dreimal. Mit Verletzungsfolgen stürzten 3 Patienten (4,9%), einer erlitt eine hüftnahe Fraktur. Bei 45 Hochrisiko-Patienten (73,4%) waren im Versorgungszeitraum keine Stürze zu verzeichnen. Bezogen auf Versorgungstage (1152) und Patienten ergibt sich in dieser Hochrisikogruppe ein Sturzindex von 0,8 Stürze pro Tag.

Diskussion: Durch personelle und umfeldbezogene Interventionen im Rahmen eines internen Qualitätsmanagement zur Sturzprophylaxe (2) kann bereits eine deutliche Reduktion von Sturzereignissen selbst bei Hochrisiko-Patienten erzielt werden. Im Vergleich zum unselektierten Standardrisiko in deutschen Kliniken für Stürze mit Folgen von 1,6% (1) ergibt sich dadurch bereits eine Risikoreduktion um 72%. Daneben sind technische Hilfsmittel zusätzlich hilfreich. Sie fördern die Aufmerksamkeit von Personal und Patient auf das Problem Sturz und reduzieren auslösende Faktoren und Sturzfolgen. Insgesamt ergibt sich bei 0,15 Stürze mit Folgen pro Beobachtungstag eine nochmalige Risikoreduktion bei Hochrisiko-Patienten um 25% im Vergleich zur internen Sturzstatistik von 2004. Bei den Hilfsmitteln haben Hüftprotektoren den breiteren Anwendungsbereich als Alarmhilfen, die neben Sturz assoziierten Alarmmeldungen auch zu zeitraubenden oder die Aufmerksamkeit reduzierenden Fehlmeldungen führen können.

Literatur:

1 Heinze C., Dassen T: Sturzprävention – Wie viele Patienten stürzen in deutschen Kliniken. Die Schwester/der Pfleger, 43 (1); 2004: 46–49

2 Schmidt R, Schupp W, Kladny B: Interdisziplinäre Sturzpräventionsmaßnahmen in der medizinischen Rehabilitation. Evaluation durch Auswertung einer klinikinternen Sturzstatistik. Phys Med Rehab Kurort Med. (zur Veröffentlichung angenommen)

3 DNQP: Arbeitstexte 4. Konsens-Konferenz Thema: Sturzprophylaxe. 13.10.2004, Osnabrück, September 2004

4 Schmidt R: Allgemeine und spezifische Interventionen zur Sturzprävention. Pflegen Ambulant, 16 Jahrg., 2/05, Seite 7 bis 10