Z Geburtshilfe Neonatol 2005; 209 - P59
DOI: 10.1055/s-2005-871510

Neonatale Alloimmunthrombozytopenie (NAIT)

S Kie 1, M Berns 1, O Meyer 1, M Obladen 1
  • 1Charité, Berlin, D

Hintergrund: Die NAIT ist die häufigste Ursache von schweren neonatalen Thrombozytopenien und betrifft 1 von 1000–2000 Lebendgeborenen. Mütterliche Alloantikörper (AK) gegen kindliche Thrombozytenantigene (HPA) verursachen die ausgeprägte Thrombozytopenie. Fünf verschiedene HP-Antigene sind bekannt; in ca. 80% der Fälle sind HPA 1a AK im mütterlichen Serum nachweisbar. Mit dem Übertritt dieser IgG AK durch die Plazentaschranke können bereits pränatal ausgedehnte intrazerebrale Blutungen entstehen. Postnatal ist heute Therapie der Wahl die Transfusion von kompatiblem (meistens HPA 1a negativem) Thrombozytenkonzentrat (TZ). Eine intravenöse Therapie mit Immunglobulinen wird nur empfohlen, wenn keine Blutungen nachweisbar sind, da sich die Wirkung erst nach 24–48 Stunden altet. Im Notfall sind dadurch die therapeutischen Optionen sehr begrenzt. Wir präsentieren den Fall eines Neugeborenen mit NAIT, bei dem eine einmalige Transfusion von inkompatiblen TZ zur spontanen Genesung führte.

Fallbericht: Die Mutter des Patienten stellte sich in der 35 SSW mit vorzeitigem Blasensprung in unserer Klinik vor. Der Schwangerschaftsverlauf war bis dahin komplikationslos. Das Kind wurde noch am gleichen Tag geboren. APGAR 9/10/10, Körpergewicht (2610g), – länge (47cm) und Kopfumfang (33cm) lagen auf der 50. Perzentile. Innerhalb von einer Stunde postnatal entwickelte das Kind Petechien und Hämatome, die sich über den gesamten Körper ausbreiteten. Bei Aufnahme Thrombozyten 27/nl bei sonst unauffälligen Laborparametern und Gerinnungsstatus. Die Schädelsonographie zeigte unterschiedlich alte, großflächige Parenchymblutungen in der rechten Hemisphäre. Zudem waren Blutungsreste in den Ventrikeln nachweisbar. Der Nachweis von HPA-1a AK im mütterlichen Serum bestätigte die Verdachtsdiagnose NAIT. Nach einmaliger Gabe von 40ml TZ stieg die Thrombozytenzahl auf 200/nl an und blieb fortan im Normbereich. Nachfolgende Schädelsonographien ergaben keine neuen Blutungen. Im Verlauf entwickelte das Kind einen Hydrocephalus internus ohne Hirndruckzeichen. Bei Entlassung lag der Kopfumfang von 36,5cm im oberen Normbereich, der neurologische und interne Status war altersentsprechend.

Schlussfolgerung: Aufgrund der schlechten Verfassung der Mutter nach der Geburt, Mangel an kompatiblem TZ und den ausgeprägten intrazerebralen Blutungen erfolgte eine Transfusion mit HPA 1a positivem Spenderblut. Möglicherweise kann der sofortige Anstieg der Thrombozyten in den Normbereich (200/nl) und die prompte Stabilisierung nach nur einmaliger Transfusion auf die Inkompatibilität des TZ zurückgeführt werden. Eine entsprechend schnellere Eliminierung der mütterlichen Antikörper aus dem kindlichen Kreislauf ist denkbar.