Pneumologie 2005; 59 - 2
DOI: 10.1055/s-2005-867149

Kann mittels ambulanter Polygraphie die Indikation zur CPAP-Therapie zuverlässig gestellt werden?

H Hein 1, S Betge 1, G Kuziek 1, A Wewel 1, B Schucher 1, H Magnussen 1
  • 1Krankenhaus Großhansdorf; Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie, Großhansdorf

Einleitung: Bisher gilt die Polysomnographie als Goldstandard zur Differentialdiagnose schlafbezogener Atmungsstörungen. Seit langem wird versucht, dieses aufwändige Verfahren durch einfachere Untersuchungsmethoden zu ersetzen. Wir verglichen daher prospektiv die Ergebnisse ambulanter 5-Kanal Polygraphien und stationärer Polysomnographien. Die Entscheidung zu einer Therapie ist nur teilweise vom Ausmaß der gestörten nächtlichen Atmung abhängig. Es fließen auch klinische Daten zum nicht-erholsamen Schlaf und cardiovaskuläre Risikofaktoren ein. Wir prüften daher auch, wie die Entscheidung zu einer Therapie ausgefallen wäre, wenn zusätzlich zu den Ergebnissen der Polygraphie bzw. Polysomnographie auch klinische Daten zur Verfügung stehen. Methodik: Über einen Zeitraum von 2 Monaten wurden prospektiv von allen in unser Schlaflabor mit der Verdachtsdiagnose einer schlafbezogenen Atmungsstörung eingewiesenen Patienten die Befunde der ambulant erhobenen 5-Kanal Polygraphien (Atemfluss, Sauerstoffsättigung, Pulsfrequenz, Schnarchen, Körperlage) mit denen unserer stationären Polysomnographien (DGSM-Standard) verglichen. Durch die üblichen klinischen Untersuchungen erhielten wir Daten zur subjektiven Schläfrigkeit (Epworth-Skala) und zur Zahl cardiovaskulärer Risikofaktoren (Hypertonus, Hyperlipoproteinämie, Diabetes mellitus). Mittels eines vorher definierten Algorithmus prüften wir die „Intention to treat“. In den Algorithmus gingen der Apnoe-Hypopnoe-Index, die subjektiv bewertete Schläfrigkeit (Epworth-Skala, ESS) sowie die Anzahl cardiovaskulärer Risikofaktoren ein. Als Grund für eine Behandlung galt ein Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) >30/h oder AHI >20/h + ESS-Wert >10 oder AHI >20/h + mindestens ein cardiovaskulärer Risikofaktor oder AHI >10/h+ESS-Wert>10 + mindestens ein cardiovaskulärer Risikofaktor. Ergebnisse: Von 179 zur Erstuntersuchung eingewiesenen Patienten hatten 121 (35 Frauen, 86 Männer, Alter 57±12 Jahre, Body-Mass-Index 32±6kg/m2) verwertbare ambulante Polygraphiebefunde. Die Apnoe-Hypopnoe-Indices der ambulanten Polygraphien (22,5±16,6/h) und der stationären Polysomnographien (24,1±22,7/h) korrelierten mit r=0,646. Der abgebildete Bland-Altman Plot zeigt, dass bei niedrigen AHI-Werten (Goldstandard: Polysomnographie) der mittels Polygraphie gemessene AHI falsch niedrig liegt, während bei hohen AHI-Werten der wahre AHI eher überschätzt wird. Wird die Polysomnographie als Goldstandard angesehen, ergibt die gleichzeitige Berücksichtung der Daten zum nicht-erholsamen Schlaf und zu cardiovaskulären Risikofaktoren bei 96 Patienten eine korrekte Klassifikation mittels Polygraphie, während 7 Patienten unterversorgt („falsch negativ“) und 18 Patienten überversorgt („falsch positiv“) worden wären. Diskussion: Durch Einbeziehen der Schlafstadien und EEG-Arousals wird die Bewertung schlafbezogener Atmungsstörungen sicherer. Hypopnoen, die zwar nicht zu Entsättigungen, aber zu Störungen des Schlafverlaufes (Arousals) führen, können nur in der Polysomnographie erkannt werden. Dies spielt v.a. bei leichtgradigen schlafbezogenen Atmungsstörungen eine Rolle. Auch können mittels der Polysomnographie Wachphasen aus der Analyse zuverlässig entfernt werden. Werden Wachphasen mit in die Kalkulation des AHI einbezogen, ist dieser falsch niedrig. Wachphasen können aber auch zu Bewegungsartefakten führen, die möglicherweise in der Polygraphie als Atmungsstörung gedeutet werden. Der resultierende AHI wäre dann falsch hoch. Fünfundzwanzig von 121 Patienten wären in unserer Intention-to-treat-Analyse ohne Polysomnographie falsch klassifiziert worden, eine Über- bzw. Unterversorgung von 20,7% der eingewiesenen Personen.