Hintergrund und Ziel der Studie: Riechstörungen werden bei bis zu 90% der Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom (IPS) beobachtet und gelten als frühes Kardinalsymptom der Erkrankung. Bereits mehrere klinische Studien konnten mit psychophysischen Tests belegen, dass dieser Riechverlust unabhängig von Dauer und Schwere der Erkrankung bestand. Untersuchungen an wenigen De-novo-Patienten zeigten allerdings, dass zumindest in frühen Stadien eines klinisch manifesten IPS Riechvermögen und Krankheitsdauer korrelierten. Auch bei der Ableitung von olfaktorisch-evozierten Potenzialen ließ sich nachweisen, dass Latenzverzögerungen bei Patienten in fortgeschrittenen Stadien deutlicher ausgeprägt waren, entsprechend einer Progression des Riechverlustes im Verlauf der Erkrankung.
Ziel dieser Studie war es, mit psychophysischen Tests zu untersuchen, wie sich das Riechvermögen von IPS-Patienten über einen Zeitraum von mehreren Jahren verhält.
Patienten und Methode: Als validierten klinischen Test zur psychophysischen Untersuchung des Riechvermögens setzten wir den „Sniffin' Sticks“-Test ein. Dieser Test misst die Geruchsschwelle (3fach „forced choice“, „single staircase“) und prüft die Fähigkeit zur Diskrimination (3fach „forced choice“) und Identifikation (4fach „forced choice“) von Gerüchen. Das Ergebnis dieser Subtests ergibt den SDI-Wert, dessen Höhe eine Aussage über die Schwere der Riechstörung zulässt. Wir untersuchten mit diesem Test 27 IPS-Patienten (5 Frauen, 22 Männer; Durchschnittsalter bei Erstuntersuchung 56,7 Jahre; mittlere Krankheitsdauer 7 Jahre; Hoehn & Yahr-Stadium im Mittel 2,25; mittlerer Score im motorischen Teil der Unified Parkinson's Disease Rating Scale: 24) mindestens zwei Mal über einen Zeitraum von 3 bis 6 Jahren.
Ergebnisse: Bei der Erstuntersuchung der IPS-Patienten lag der durchschnittliche SDI-Wert bei 17,5 (9–24,75) Punkten, entsprechend einer schweren Hyposmie. Der Riechverlust war dabei unabhängig von Alter, Geschlecht, Dauer und Schwere des Parkinson-Syndroms. 10 Patienten waren anosmisch (SDI-Wert kleiner 16), 17 Patienten hyposmisch (SDI-Wert 16 bis 30). Bei der Zweituntersuchung (im Mittel nach 4,4 Jahren) wurde erneut ein durchschnittlicher SDI-Wert von 17,5 Punkten dokumentiert, wobei nun 12 Patienten anosmisch und 15 Patienten hyposmisch waren (dabei Konversion von Anosmie zu Hyposmie bei 3 Patienten und Konversion von Hyposmie zu Anosmie bei 5 Patienten).
Schlussfolgerung: Diese prospektive Untersuchung zeigt erstmals an einer größeren Gruppe von IPS-Patienten, dass eine signifikante Hyposmie oder funktionelle Anosmie in mittleren und fortgeschrittenen Krankheitsstadien unabhängig von der Krankheitsdauer besteht.
Der Riechverlust dürfte bereits in präsymptomatischen Phasen des IPS entstehen (wohl mindestens 6 Jahre vor Erstmanifestation motorischer Kardinalsymptome) und dann nur noch in frühen Stadien der manifesten Erkrankung mit der Krankheitsdauer korrelieren.