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DOI: 10.1055/s-2005-865570
Gefahrgutunfall mit Epichlorhydrin
Am 9.9.2002 stießen nahe des Bahnhofs Bad Münder zwei Güterzüge zusammen, wobei 45t Epichlorhydrin (ECH) durch Brand, Explosion, Versprühen und Auslaufen austraten. Erst nach 68 Minuten wurde freigesetzter Gefahrstoff bekannt. Messungen in der Unfallnacht mit Draeger-Röhrchen ergaben Chlor- und HCL-Konzentrationen im MAK-Wert-Bereich. Verwertbare Messwerte auf ECH wurden nicht ermittelt. Eine Expositionsabschätzung für die Bevölkerung war nicht möglich, da das Verteilungsmuster des ECH und seiner Zerfallsprodukte in Wasser, Boden, Luft nicht bekannt war. 48 Stunden nach dem Unfallereignis wurden Beschwerden aus der Bevölkerung laut (Kopfschmerzen, Atemwegs-, Haut-, Schleimhaut- und Augenreizungen). Vom Gesundheitsamt Hameln-Pyrmont wurden Sofortuntersuchungen eingeleitet und akute Symptome und Leberwertveränderungen bei Einsatzkräften und betroffenen Bürgern erfasst. Das Land Niedersachsen hat zur weiteren Aufklärung ein um Verfahren der Epidemiologie und des Biomonitoring ergänztes Programm zur Gesundheitsfolgenabschätzung aufgelegt.
Es wurden 540 Arztkontakte bei niedergelassenen Ärzten gezählt. 1913 Personen (Einsatzkräfte und Bürger) ließen sich vorsorglich beim Gesundheitsamt als Unfallbetroffene registrieren. 1628 Personen füllten einen Erhebungsbogen zu Aufenthaltsort, Dauer und Gesundheitsbeschwerden aus. Innerhalb der ersten 14 Tage, nach 6 Wochen und nach 6 Monaten wurden insgesamt 3773 Blutentnahmen bei 2075 Personen durchgeführt: zur Bestimmung von Leberwerte, Kreatinin und zur hGSTT1-Aktivität sowie zur Asservierung zur Bestimmung von ECH-spezifischen Hämoglobinaddukten als Biomarker einer inneren Exposition. Auffällig war bei den Leberwerten eine leichte Erhöhung der SGPT-Werte bei Männern (24,4%) gegenüber zwei Vergleichskollektiven (14,5% und 16,5%). Die Verteilung der hGSTT1-Aktivität entspricht der der Normalbevölkerung; es ließ sich kein Zusammenhang mit den Leberwerten finden. Eine toxische Leberschädigung durch Epichlorhydrin scheint nicht vorzuliegen.
Die Methodenaufbau zur Adduktbestimmung ist zur Zeit noch nicht abgeschlossen. Der Nachweis von Zusatzbelastungen bei der ersten Messreihe wird die Entscheidungsgrundlage für die Fortsetzung der Bestimmungen der übrigen Blutproben bilden. Die Entwicklung der Krebshäufigkeit wird langfristig beobachtet werden.