Zeitschrift für Palliativmedizin 2005; 6 - 79
DOI: 10.1055/s-2005-865473

Die Unterscheidung von Moral, Ethos, Recht und Ethik in der Palliativmedizin

T Wernstedt 1
  • 1Universität Erlangen-Nürnberg

Es wird in der deutschen Palliativmedizin bislang nicht ausreichend zwischen der eigenen subjektiven moralischen Grundhaltung, dem Ethos des Berufes, dem Recht und der Ethik als einer Metaebene, als „Wissenschaft der Moral“ unterschieden. Dies betrifft die Unterschiede der Bereiche, die Überschneidungen, die kulturhistorische Entwicklung und die gegenseitige Bedingtheit (Pannenberg 1996). Die philosophische Grundlegung des Faches „Palliativmedizin“ und der tägliche Umgang mit ethischen Fragen ist unbefriedigend angesichts der schwierigen Lebens- und Entscheidungssituationen der Palliativteams und ihrer Patienten. Mittels einer Analyse dreier in Deutschland gebräuchlicher Lehrbücher zur Palliativmedizin (Aulbert 1997, Bausewein 2004, Husebo 1998) und der Satzung der DGP wird gezeigt, dass Moral, Ethos und Ethik kaum gegeneinander abgegrenzt werden. Ethik in der Palliativmedizin wird reduziert auf Entscheidungen am Lebensende und die Haltung gegen die aktive Sterbehilfe. Das Etikett „Ethik“ leistet eine Identifikation der Handelnden mit ihrem Fach über die Verständigung darüber, was man nicht möchte. Das Recht erscheint als Spielart der Ethik. In der Versorgung Schwerkranker und Sterbender muss die Gratwanderung zwischen stützender Fürsorge und dem Respekt vor der Selbstbestimmung reflektiert ausgehandelt werden. Die Neuordnung des Gesundheitswesens zwingt zum überlegten Umgang mit knappen Ressourcen. Zur Ethik gehört das Nachdenken über die Reichweite von Denkfiguren wie Autonomie, Fürsorge, Auseinandersetzungen über Menschenbilder und gesellschaftliche Veränderungen. In der Praxis kann ethische Reflexion mithilfe von Ethikberatung oder mit regelmäßigen retrospektiven Fallanalysen in Ergänzung zur Supervision eingeübt werden. Für eine fundiertere theoretische Grundlegung der Ethik in der Palliativmedizin ist eine Auseinandersetzung innerhalb der DGP zu fordern.