Psychother Psychosom Med Psychol 2005; 55 - P_105
DOI: 10.1055/s-2005-863541

Psychische Belastungen durch potentiell traumatisierende Belastungen im Polizeiberuf – Entwicklung einer Taxonomie der Belastungsquellen innerhalb der Polizeiarbeit

S Reinecke 1, F Bastians 2, B Runde 2, O Bär 1, U Weiss 2, G Heuft 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Universitätsklinikum Münster
  • 2Institut für Aus- und Fortbildung der Polizei in Nordrheinwestfalen, Bildungszentrum „Carl Severing“ Münster

Theoretischer Hintergrund: Polizeibeamte werden häufig mit traumatischen Stressoren konfrontiert und tragen ein erhöhtes Risiko, an einer Belastungsstörung zu erkranken. Diese potentiell traumatischen Belastungssituationen reichen vom Schichtdienst, langen schlecht planbaren Einsatzzeiten bis zu schwierigen emotionalen Anforderungen, der Gefährdung des eigenen Leib und Lebens oder der Gefährdung von Kollegen. Fragestellung: Ziel der Untersuchung ist es, eine empirisch überprüfte Taxonomie der Belastungsquellen innerhalb des Polizeialltags zu entwickeln. Methode: 109 Polizeibeamte wurden retrospektiv zu belastenden Situationen in ihrem Polizeialltag interviewt. Die Belastungssituationen wurden in Anlehnung an die Klassifizierung der Stressquellen am Arbeitsplatz von Udris und Frese (1988) deduktiv und induktiv in eine Taxonomie der Belastungsquellen überführt. Die Reliabilität des Klassifikationssystems wurde im Hinblick auf die Inter-Rater-Reliabilität überprüft. Darüber hinaus wurden 80 Polizeibeamte mittels Fokusgruppen zu aktuellen Belastungsszenarien interviewt. Ergebnisse: Grundlage der Auswertung bilden die in den Interviews und Fokusgruppen insgesamt erhobenen 496 Belastungssituationen im Polizeialltag. Die Werte für die Inter-Rater-Reliabilität und die praktische Anwendbarkeit der Taxonomie können als gut bis sehr gut (Cohen's Kappa>=0,8) angesehen werden. Die Taxonomie trennt vier Taxa der Belastungsquellen voneinander (Belastungen aus: (a) der Aufgabe selbst, (b) der Arbeitsorganisation und Struktur der Arbeit, (c) den sozialen Bedingungen, (d) den physikalischen Bedingungen/der zeitlichen Dimension). Mithilfe dieser Klassifikation lässt sich der Raum potentiell traumatischer Erlebnisse innerhalb der Polizeiarbeit umfassend beschreiben. Schlussfolgerung: Vor dem Hintergrund der Ergebnisse zur systematischen Klassifikation der Belastungen lassen sich praktische Konsequenzen für die Prävention, Beratung und Therapie diskutieren.