Psychother Psychosom Med Psychol 2005; 55 - S_078
DOI: 10.1055/s-2005-863424

Alexithymie und interpersonale Beziehungsprobleme

C Spitzer 1, U Siebel-Jürges 2, S Barnow 1, H Grabe 1, H Freyberger 1
  • 1Klinik für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie der EMA Universität Greifswald, Stralsund
  • 2Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Aachen

Einleitung: Das vielschichtige Konstrukt der Alexithymie ist mit Defiziten in der non-verbalen Affekterkennung und dem Affektausdruck verbunden. Weil non-verbale Kommunikation zwischenmenschliche Beziehungen erheblich mitgestaltet, vermuteten wir einen Zusammenhang zwischen Alexithymie und interpersonalen Problemen. Methodik: 149 psychiatrisch-psychotherapeutische Patienten (mittleres Alter 39,5±11,3 Jahre) wurden mit der Toronto Alexithymie-Skala (TAS-20), dem Inventar zur Erfassung Interpersonler Probleme (IIP) und der Symptom Checkliste (SCL-90) untersucht. Ergebnisse: Hoch-alexithyme Patienten (TAS ≥61; N=50) hatten deutlich mehr interpersonale Probleme als die Gruppe der niedrig-alexithymen Patienten (TAS ≤51; N=60), auch unter Kontrolle allgemeiner Psychopathologie (SCL-90). Signifikante Unterschiede fanden sich v.a. für die Bereiche „zu abweisend“ und „zu introvertiert“. Die Subskalen „Schwierigkeiten, Gefühle zu beschreiben“ der TAS-20 zeigte durchgängig die höchsten Korrelationen mit interpersonaler Beziehungsproblematik. Diskussion: Unsere Befunde zeigen, dass der interpersonale Stil alexithymer Patienten durch ein abweisend-kaltes und introvertiert-sozial vermeidendes Verhalten gekennzeichnet ist. Dies korrespondiert gut mit anderen Studien, die einen unsicheren Bindungsstil bei alexithymen Personen gefunden haben, der seinerseits mit dem interpersonaler Beziehungsmuster eines abweisenden und sozial vermeidenden Verhaltens assoziiert ist. Aus einer entwicklungspsychologischen Perspektive können Alexithymie und unsichere Bindung durch Inkongruenzen in der frühen Mutter-Kind-Beziehung erklärt werden. Alexithymie repräsentiert nicht nur eine Störung der internen Affektregulation, sondern auch die Unfähigkeit, soziale Interaktionen zu diesem Zweck zu nutzen.