Psychother Psychosom Med Psychol 2005; 55 - S_059
DOI: 10.1055/s-2005-863405

Psychobiologische Effekte von Stress auf die Reizdarmsymptomatik

UM Nater 1, K Pinnekamp 1, K Suarez 1, U Ehlert 1
  • 1Klinische Psychologie und Psychotherapie, Universität Zürich, Schweiz

Das Reizdarmsyndrom (RD) ist eine stark beeinträchtigende Störung, die in der Bevölkerung relativ häufig zu finden ist. Die Rolle von stressbezogenen Variablen wurde für die Entstehung und Aufrechterhaltung des RD bereits diskutiert. In einer vorangegangen Untersuchung konnten wir zeigen, dass RD-Patienten auf pharmakologische Stimulation der als Stressachse bekannten Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHNA) mit einem Hypocortisolismus antworten (Böhmelt et al., in press). In der vorliegenden Studie sind wir der Frage nachgegangen, inwieweit Stressfaktoren eine Rolle bei der Manifestation der RD-Symptome spielen. In einer Stichprobe von 1901 Studierenden wurden Daten zu chronischem Stress, dispositioneller Stressreaktivität, Bewältigungsstrategien und selbstberichteten gastrointestinalen Problemen erhoben. Resultate einer logistischen Regressionsanalyse verweisen darauf, dass insbesondere eine erhöhte Stressreaktivität das Auftreten von RD-relevanten Symptomen vorhersagt (p<0,001). Im Rahmen einer differenzierten Untersuchung von 36 weiblichen Probanden aus der Gesamtstichprobe wurden drei Gruppen gebildet: vollumfängliche Erfüllung der Rom-II-Kriterien für RD (Gruppe 1, N=12), nur teilweise Erfüllung der Rom-II-Kriterien für RD (Gruppe 2, N=12), keine Symptome (Gruppe 3, N=12). Bei allen drei Gruppen wurde ein Cortisol-Tagesprofil erhoben. Post-hoc-Analysen der Gruppenunterschiede zeigten, dass Probandinnen der Gruppe 1 eine signifikant geringere Cortisolausschüttung als die anderen beiden Gruppen hatten (p<0,05), die sich nicht voneinander unterschieden. Ebenso war die dispositionelle Stressreaktivität in der Gruppe 1 am höchsten. Diese Resultate deuten darauf hin, dass eine hohe dispositionelle Stressreaktivität ein prädisponierender Faktor für die Manifestation von RD-relevanten Symptomen sein könnte und die endokrinen Veränderungen bei RD-Patienten eine Konsequenz der erhöhten Stressreaktivität sein könnten.