Zentralbl Gynakol 2005; 127 - 20
DOI: 10.1055/s-2005-862476

Babyklappe und Anonyme Geburt – Erreicht das Konzept „Mütter in Not?“

M Wollenschein 1, A Rohde 1
  • 1Gynäkologische Psychosomatik, Universitätsfrauenklinik Bonn

Einleitung: Die bisherigen Erfahrungen in Deutschland mit anonymer Entbindung und Baby-Klappen zeigen, dass die Absicht der Initiatoren nicht erreicht werden kann: Die verfügbaren Zahlen zeigen keine Reduzierung der Fälle von Kindesaussetzung oder Kindstötung. Um zu verstehen, warum dieses Angebot diejenigen Frauen nicht erreicht, die ihre Kinder töten, bedarf es einer genaueren Betrachtung der Psychopathologie und Persönlichkeitsstruktur dieser Frauen. Die Tötung des eigenen Kindes (Infantizid) kann im Zusammenhang mit verschiedenen psychopathologischen Störungen der Mutter geschehen, z.B. als Folge einer psychotischen Symptomatik, im Rahmen eines sogenannten erweiterten Suizides bei schwerer Depression, als Folge von Überforderung im Rahmen eines Impulsdurchbruches, als Folge von schwerer Kindesmisshandlung. Davon unterscheiden sich die Konstellationen beim sogenannten Neonatizid (Tötung des Neugeborenen direkt nach der Entbindung).

Methode: In der Regel geht einem Neonatizid eine Verdrängung bzw. teilweise unbewusste Verleugnung der Schwangerschaft voraus. Meist handelt es sich bei den Täterinnen um junge, unreife Frauen mit geringem Konfliktlösungspotential, die von der Geburt des Kindes „überrascht“ werden und dann in einer Stress- oder Panikreaktion ihr Kind töten. An zwei Beispielen sollen Persönlichkeitsstruktur und der Mangel an Bewältigungsmechanismen betroffener Frauen dargestellt werden.

Ergebnisse: Die Ausführungen zeigen, dass Frauen mit einer solchen Problematik nicht in der Lage sind, die Möglichkeiten einer anonymen Geburt anzunehmen. Andererseits bergen solche Initiativen aber die Gefahr, dass sie missbräuchlich verwendet werden oder dass psychisch instabile Mütter weitreichende Entscheidungen treffen, die sie und ihre Kinder für ihr ganzes Leben traumatisieren.

Schlussfolgerung: Wichtiger scheint es, die für Babyklappen und Anonyme Geburt eingesetzten finanziellen und personellen Ressourcen zur besseren Bekanntmachung und zum Ausbau bestehender Hilfsmöglichkeiten zu verwenden, um so negative Lebensentwicklungen für Mütter und Kinder vermeiden zu können.