Zentralbl Gynakol 2005; 127 - 4
DOI: 10.1055/s-2005-862460

Einstellungen und Bewertungen von Kinderwunschpaaren zu unterschiedlichen Nutzergruppen der modernen Reproduktionsmedizin

A Borkenhagen 1, E Brähler 2, Y Stöbel-Richter 2, C Finck 2, U Meister 2, S Wisch 3, B Strauß 3, H Kentenich 1
  • 1Fertility Center Berlin Frauen- und Kinderklinik Westend, Berlin
  • 2Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie Universität Leipzig, Leipzig
  • 3Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität Institut für Medizinische Psychologie, Jena

Einleitung: In Deutschland dürfen nur Verheiratete oder dauerhaft zusammenlebende Frauen und Männer eine künstliche Befruchtung oder andere medizinische Behandlungsmethoden in Anspruch nehmen, um ein Kind zu bekommen. Homosexuelle, weibliche und männliche Paare sowie Alleinstehenden darf in Deutschland nicht mithilfe der modernen Medizin zu einem Kind verholfen werden. Auch bei Frauen in den Wechseljahren ist eine solche Behandlung strittig. Es wird diskutiert, ob auch diesen Gruppen die Anwendung der Reproduktionsmedizin erlaubt werden soll. Die Diskussion um die Ausweitung des Nutzerkreises wurde bisher vorrangig in Expertenkreisen geführt. Eine gesamtgesellschaftliche Diskussion unter Einbeziehung der Meinung unterschiedlicher Betroffenengruppen steht noch aus. In diesem Kontext steht die Erhebung der Einstellung von 200 Kinderwunschpaaren zur Ausweitung der Nutzergruppen der Reproduktionsmedizin.

Methoden: Bei der vorgestellten Studie handelt es sich um eine informationsgestützte Fragebogenstudie an 200 Kinderwunschpaaren, im Alter von 19–55 Jahren des Fertility Centers Berlin.

Ergebnisse: Die Mehrheit der befragten Kinderwunschpaare spricht sich für eine freie Nutzung moderner reproduktionsmedizinischer Verfahren durch unverheiratete Paare aus, jeweils ca. 1/3 für eine Ausweitung der Nutzung auf männliche bzw. weibliche homosexuelle Paare sowie alleinstehende Frauen, während nur 16% für eine Nutzung durch alleinstehende Männer plädieren. Die Mehrheit der Befragten sieht die Entwicklung eines Kindes, dass von einem weiblichen oder männlichen homosexuellen Paar aufgezogen wird, als nicht beeinträchtigt an. Eine Beeinträchtigung in der sexuellen Orientierung vermuten bei einem weiblichen oder männlichen homosexuellen Elternpaar etwa 10% der Befragten. Die Mehrzahl der Paare spricht sich gegen eine Behandlung von Frauen in den Wechseljahren aus, wobei unterschiedliche Beeinträchtigungen der kindlichen Entwicklung vermutet werden.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer neuerlichen Diskussion der Nutzergruppen moderner reproduktionsmedizinischer Maßnahmen. In diesen Diskussionsprozess sollte die Meinung von Kinderwunschpaaren und anderen Betroffengruppen im Sinne einer Betroffenenethik Gehör finden. Erfahrungen und Studienergebnisse aus den europäischen aber auch angloamerikanischen Ländern sollten ebenfalls berücksichtigt werden.