Gesundheitswesen 2006; 68(2): 94-100
DOI: 10.1055/s-2005-858990
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kinder und Jugendliche: Ungleiche Lebensbedingungen, ungleiche Gesundheitschancen

Children and Adolescents: Unequal Living Conditions, Unequal Health OpportunitiesT. Lampert1 , M. Richter1 , A. Klocke1
  • 1Robert Koch-Institut, Abt. Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung, Berlin
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Publication Date:
15 February 2006 (online)

Zusammenfassung

Kinder und Jugendliche stellen in Deutschland mittlerweile diejenige Altersgruppe dar, die am häufigsten von Armut bedroht ist. Eine Armutslage in der Kindheit bedeutet einen schlechten Start ins Leben und hat oftmals nachhaltige Auswirkungen auf die soziale und gesundheitliche Entwicklung der Heranwachsenden. Schon vor der Einschulung werden bei Kindern aus sozial schwächeren Familien vermehrt Entwicklungsverzögerungen und Gesundheitsstörungen festgestellt. Sie sind außerdem häufiger von Unfallverletzungen und zahnmedizinischen Problemen betroffen. Im Jugendalter lässt sich ein Zusammenhang zwischen der sozialen Lage und dem psychosozialen Wohlbefinden sowie dem Gesundheitsverhalten herstellen. Eine benachteiligte Lebenslage geht aber nicht zwangsläufig mit Gesundheitsproblemen einher. Ein stabiles und unterstützendes soziales Umfeld, insbesondere in der Familie, Gleichaltrigengruppe und Schule, fördert die Ausbildung eines positiven Selbstbildes und sozialer Kompetenzen und damit den Umgang mit belastenden Lebensbedingungen. Sozial- und gesundheitspolitische Maßnahmen, die zum Ziel haben, die Auswirkungen von Armut auf die Gesundheit abzuschwächen, müssen hier ansetzen.

Abstract

Today, children and young people represent the age group that is most frequently threatened by poverty in Germany. Poverty during childhood means a bad start to life and often has long-term effects on an adolescent’s social and health development. Health problems are more frequent among preschool-age children from socially disadvantaged families. They are also more often affected by accidents and dental problems. In adolescence, links can be established between the social situation and psychosocial well-being, pain incidence and health behaviour. However, poverty does not inevitably go hand-in-hand with health problems. A stable and supporting social environment - particularly in families, peer groups and schools - promotes the development of a positive self-image and social skills, thus empowering the child to deal with demanding living conditions. Measures of social and health policy aimed at lessening the effects of poverty on health must start here.

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Thomas Lampert

Robert Koch-Institut, Abt. Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung

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