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DOI: 10.1055/s-2005-858622
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Wenn ein Mensch für den Fall der Nichteinwilligungsfähigkeit Vorsorge trifft und eine Patientenverfügung verfasst hat, muss seinem Selbstbestimmungsrecht Vorrang vor Überlegungen Dritter eingeräumt werden. Lebenserhaltende Zwangsbehandlungen, wie z. B. eine künstliche Ernährung, sind daher eindeutig unzulässig!
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
29. September 2005 (online)
Diese grundsätzlichen Feststellungen ergeben sich aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 8.6.2005 - XII ZR 177/03 - zur langjährigen künstlichen Ernährung eines in einem Pflegeheim untergebrachten Komapatienten mit Hilfe einer Magensonde gegen eine anders lautende Entscheidung des rechtlichen Betreuers. Damit folgte der BGH den grundsätzlichen Aussagen in seinem Beschluss vom 17.3.2003 - XII ZB 2/03 -, indem die Verpflichtungen zur Beachtung des Patientenselbstbestimmungsrechts näher beschrieben wurden.
Der BGH stellte in seinem Beschluss vom 8.6.2005 durch Leitsatz heraus:
Verlangt der Betreuer in Übereinstimmung mit dem behandelnden Arzt, dass die künstliche Ernährung des betreuten einwilligungsunfähigen Patienten eingestellt wird, so kann das Pflegeheim diesem Verlangen jedenfalls nicht den Heimvertrag entgegensetzen. Auch die Gewissensfreiheit des Pflegepersonals rechtfertigt für sich genommen die Fortsetzung der künstlichen Ernährung in einem solchen Fall nicht.
Der Beschluss des BGH korrigierte entgegenstehende Entscheidungen der Vorinstanzen und wird erhebliche Auswirkungen auf die Umsetzung von Patientenverfügungen in Pflegeheimen haben müssen. Erstmals wurde nämlich letztinstanzlich festgestellt, dass nicht nur Ärzte, sondern auch Pflegekräfte bindend verpflichtet sind, den in Patientenverfügungen festgelegten Willen umzusetzen. Dazu gehört folgerichtig, Zwangsernährungen zu beenden und das vom Patienten vorausbestimmte natürliche Sterben zuzulassen. Besonders wichtig ist, dass Bestimmungen in Heimverträgen, die die Rechtswirkung von Patientenverfügungen aufheben sollen, als rechtswidrig einzustufen sind.
Werner Schell
Harffer Straße 59
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