Gesundheitswesen 2005; 67(8/09): 587-593
DOI: 10.1055/s-2005-858605
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Einkommensverluste durch den Empfang von Krankengeld – Wann macht Krankheit arm?

Income Reduction Due to Sickness Benefits – When Does Sickness Make You Poor?A. Mielck1 , C. A. Huber1
  • 1GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen, Neuherberg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
11. Oktober 2005 (online)

Zusammenfassung

Ziel der Studie: Krankengeld wird gezahlt, wenn eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit länger andauert als die Entgeltfortzahlung. Im Mittelpunkt stehen hier zwei bisher kaum untersuchte Fragen: Bei welchen Einkommensgruppen ist der Unterschied zwischen Nettolohn bzw. -gehalt und ausgezahltem Krankengeld besonders groß? Welche Einkommensgruppen gelangen durch das Krankengeld unter die Armutsgrenze? Methode: Für verschiedene Steuerklassen und Einkommensgruppen wird berechnet, wie viel Krankengeld tatsächlich ausgezahlt wird. Vorgestellt wird auch der Algorithmus zur Berechnung der Armutsgrenze. Aus methodischen Gründen kann sich der Vergleich zwischen ausgezahltem Krankengeld und Armutsgrenze nur auf die 1-Personen-Haushalte beziehen. Ergebnisse: Bei den hier einbezogenen Bruttoeinkommen (bis zu 4000 Euro pro Monat) basiert das ausgezahlte Krankengeld fast ausschließlich auf der Berechnungsgröße „90 % des täglichen Nettoeinkommens”. Alle Versicherten erhalten daher einen nahezu identischen Anteil am zuvor erzielten Nettolohn/-gehalt als Krankengeld ausgezahlt (ca. 77 %). Vor allem die oberen und die unteren Einkommensgruppen werden durch den Erhalt von Krankengeld in erheblichem Maße finanziell belastet. Gemessen in absoluten Euro-Beträgen müssen die oberen Einkommensgruppen relativ große Einbußen hinnehmen. Die unteren Einkommensgruppen kommen in die Nähe der Armutsgrenze oder unterschreiten diese sogar. Schlussfolgerungen: Erwerbstätige GKV-Versicherte sind im Krankheitsfall weitgehend finanziell abgesichert. Dies ist eine große soziale Errungenschaft. Es sollte jedoch der Frage nachgegangen werden, wann krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu empfindlichen finanziellen Einbußen führen kann. Weitergehende Analysen sind nur auf Basis bisher nicht verfügbarer Daten möglich (z. B. über die Anzahl der GKV-Versicherten pro Einkommensgruppe und das Einkommen weiterer Haushaltsmitglieder). Schon die hier vorgestellten Berechnungen verdeutlichen jedoch, dass das Krankengeld für einige Versicherte zu erheblichen finanziellen Problemen führen kann. Eine vertiefte Analyse dieser Thematik erscheint daher dringend geboten.

Abstract

Purpose: When absent from work due to sickness, most employees in Germany receive continued pay from their employer for six weeks. After this period, sick employees receive sickness benefits from their Statutory Sickness Fund. These sickness benefits are calculated in a rather complicated way as a percentage of gross and net salary. The paper focuses on two questions that have rarely been studied: Which income groups show a particularly large difference between net salary and net sickness benefits? Which income groups move below the poverty line after receiving sickness benefits? Methods: We calculated how much sickness benefit is actually paid to the insured, for different income and tax groups. The definition for the poverty line is outlined as well. Due to methodological difficulties, the comparison between sickness benefits and poverty must be confined to single-person households. Results: In the income groups chosen here (gross salary up to 4000 Euro per month), net sickness benefits amount to about 77 % of net salary, for all insured. Financial problems can mainly be expected for the lower and the upper income groups. Expressed in absolute terms, the upper income groups experience a large reduction in net income. The lower income groups come close to the poverty line or fall below it. Conclusions: Sickness benefits provide income in case of sickness; this is an important achievement of social policy. However, we should study the financial burden which sickness benefits could have for the insured. More in-depth analyses would require data that are not yet available (e. g. on the number of insured per income group and the income of other household members). The analyses presented here already show that sickness benefits could lead to severe financial problems for at least some insured. They point to the need for more studies in this neglected field.

Literatur

  • 1 Helmert U, Braun B, Beck R. et al . Die Auswirkungen von Krankengeldkürzungen – Ergebnisse einer Befragung von GKV-Mitgliedern.  Gesundheitswesen. 1997;  59 495-500
  • 2 Mielck A. Soziale Ungleichheit und Gesundheit: Empirische Ergebnisse, Erklärungsansätze, Interventionsmöglichkeiten. Bern; Verlag Hans Huber 2000
  • 3 Hanesch W, Adamy W, Martens R. et al .Armut in Deutschland. Reinbek bei Hamburg; Rowohlt Taschenbuch Verlag 1994
  • 4 Statistisches Bundesamt .Datenreport 2004. Bonn; Bundeszentrale für politische Bildung 2004

Dr. phil. Andreas Mielck M.P.H.

GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen

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