Gesundheitswesen 2005; 67: 6-7
DOI: 10.1055/s-2005-858509
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Grußwort

W. Kröll
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Publication Date:
22 July 2005 (online)

Grußwort

Wie beeinflusst die Erstversorgung den weiteren Verlauf eines Herzinfarkts? Werden Frauen mit Herzinfarkt anders behandelt als Männer? Wie viele Menschen leiden unter Typ-2-Diabetes und wissen nichts davon? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Typ-2-Diabetes und Herzinfarkt? Typische Beispiele für Fragen, denen Forscherinnen und Forscher mithilfe von KORA nachgehen. Von den Antworten hängt viel ab: Sie sind wichtig für den einzelnen Patienten, haben immense ökonomische Bedeutung für die Gesellschaft und bringen die Wissenschaft voran.

KORA-Wissenschaftler suchen nach diesen Antworten, indem sie alle fünf Jahre eine Zufallsstichprobe der Bevölkerung in der Region Augsburg analysieren. Die Studienteilnehmer werden detailliert nach ihren Lebensgewohnheiten und ihrer Gesundheit befragt. Außerdem werden sie gründlich körperlich untersucht. Die Auswertung bringt die Zusammenhänge ans Licht: zwischen den untersuchten physischen Parametern oder Lebensgewohnheiten der Menschen und bestimmten Erkrankungen. Zugleich entsteht durch KORA eine einzigartige Sammlung von Blutproben, Befunden und Krankengeschichten für die weitergehende Forschung. Rund 18 000 Menschen sind mittlerweile in die Erhebungen einbezogen, vier Surveys wurden seit 1985 durchgeführt. Jetzt werden Wiederholungsuntersuchungen und -befragungen nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne durchgeführt, die Auskunft darüber geben, ob sich der Einfluss von Parametern im Laufe der Zeit verändert.

KORA wird als Untersuchungsplattform für die bevölkerungsbasierte Gesundheitsforschung vom GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit betrieben, unserem Helmholtz-Mitglied in Neuherberg bei München. Die Studie hat sich als wichtiges Forschungsinstrument in der Community fest etabliert. Zahlreiche Publikationen zu unterschiedlichsten Fragen der Epidemiologie, der Gesundheitsökonomie und der Versorgungsforschung gehen seit Jahren aus KORA hervor. Die hier versammelten Beiträge präsentieren einen Ausschnitt.

Wie leistungsfähig das Forschungsinstrument KORA ist, zeigt besonders gut die Entwicklung des untersuchten Themenspektrums. An den Start gingen die Augsburger Erhebungen vor 20 Jahren als Teil einer großen Studie der Weltgesundheitsorganisation: MONItoring of trends and determinants in CArdiovascular Diseases, kurz: MONICA. Daran beteiligten sich 21 Länder aus vier Kontinenten - Augsburg war einer der Studienstandorte. MONICA untersuchte den Zusammenhang der mittlerweile anerkannten Risikofaktoren Bluthochdruck, Blutfette und Rauchen mit Herzinfarkt und wurde 1995 erfolgreich abgeschlossen.

Unterstützt von Bundesforschungs- und Bundesgesundheitsministerium wurden die Augsburger Arbeiten fortgesetzt, ab 1996 mit dem neuen Namen KORA für „Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg”. Die Wissenschaftler bezogen neue Einflussgrößen in die Studien ein: Alkoholkonsum, Übergewicht, Fitness, Bildung oder - aktuell viel diskutiert - das Autofahren als Risikofaktor für Herzinfarkt. Forscher nutzen KORA mittlerweile auch, um Themen wie Asthma, Allergien oder neurologische Erkrankungen zu verfolgen, die weit über den ursprünglichen Horizont der Herz-Kreislauf-Forschung hinausgehen. Und immer häufiger wird analysiert, welchen Einfluss genetische Marker auf Erkrankungen wie Diabetes, Herzinfarkt oder Fettsucht haben. Denn auch für die relativ junge Disziplin der genetischen Epidemiologie bietet die große Sammlung an Blutproben und Befunden, die durch KORA entstanden ist, einen hervorragenden Datenbestand.

Prof. Dr. Walter Kröll

KORA ist typisch und beispielgebend für die Helmholtz-Forschung. Diese Plattform eignet sich hervorragend, komplexe Fragen auf dem weiten Feld der Gesundheitsforschung langfristig ausgerichtet zu untersuchen. KORA ist ein „Großgerät der Gesundheitsforschung”, das der wissenschaftlichen Community ein einmaliges epidemiologisches Instrumentarium bietet. Für Infrastruktur, Konzeption, Organisation und Durchführung der Studien sorgen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des GSF-Forschungszentrums. So sind die notwendige Kontinuität und ein exzellentes epidemiologisches Niveau gesichert. Die konkret bearbeiteten Fragen stammen aber zu einem großen Teil von Wissenschaftlern anderer Einrichtungen, oft Universitäten. Sie bringen spezifische Interview- oder Untersuchungselemente in die Surveys ein oder nutzen vorhandene Daten für ihre Forschung. KORA ist damit ein Motor für Kooperation und Vernetzung in der Gesundheitsforschung und realisiert auch in dieser Hinsicht beispielhaft die Forschungsstrategie von Helmholtz.

Dass die Kombination von leistungsfähigem Instrumentarium, herausragendem Know-how und Kooperation als Arbeitsprinzip erfolgreich funktioniert, dokumentieren die Beiträge des Heftes. Sie markieren keinen Endpunkt. Das Modell KORA ist nach 20 Jahren längst nicht ausgereizt. Den immensen Datenbestand auszuwerten, wird noch Jahre brauchen. Die genetisch-epidemiologischen Studien stehen erst am Anfang. Glückwünsche zum 20. Geburtstag sind daher verbunden mit der Erwartung weiterer wichtiger Ergebnisse für die Gesundheitsforschung.

Prof. Dr. Walter Kröll
Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft

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