Viszeralchirurgie 2005; 40(3): 224-226
DOI: 10.1055/s-2005-836558
Das viszeralchirurgische Prüfungsgespräch

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Mammachirurgie

Breast SurgeryP. M. Markus1
  • 1Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Unfallchirurgie, Elisabeth-Krankenhaus, Essen
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Publication Date:
03 June 2005 (online)

Es kommt ein 50-jähriger Mann mit einer beidseitigen Brustvergrößerung zu Ihnen. Woran denken Sie?

Antwort: Die wahrscheinlichste Diagnose ist eine Gynäkomastie. Sie ist definiert als eine abnorme Größenzunahme der Brust. Wichtig ist, dass in diesem Fall die Größenzunahme beidseits stattfand.

Worin besteht die Therapie?

Antwort: Zunächst muss ausgeschlossen werden, ob eine neoplastische bzw. endokrine Erkrankung vorliegt. Dazu gehört der Hypogonadysmus, Nebennierenrindentumoren, Leydigzelltumoren, HCG-produzierende Tumoren, Lebererkrankungen, der Hyperaldosteronismus, Lebertumoren, eine Leberzirrhose, eine Hyperthyreose und selten medikamenteninduzierte Brustdrüsenvergrößerung. Liegt tatsächlich eine Hyperplasie des Drüsenkörpers vor, sollte die Indikation zur operativen Korrektur im Sinne einer subkutanen Mastektomie gestellt werden. Liegt diese allerdings im Rahmen einer Adipositas vor, besteht keine Indikation zur Operation.

Definieren Sie den Begriff Mastopathie.

Antwort: Die Mastopathie ist eine Proliferation der hormonabhängigen epithelialen und mesenchymalen Mammastrukturen, die als regressive Veränderungen und Zystenbildung imponieren. Klinisch sind sie als Knoten zu tasten. Die Mastopathie ist die häufigste Erkrankung der weiblichen Brust, 40-90 % aller Frauen bis zum 50. Lebensjahr leiden an einer Mastopathie.

Es kommt eine 19-jährige Frau zu Ihnen mit dem Befund eines palpablen, prallelastischen, etwa 1,5 cm großen Tumors in der li. oberen Brust. Was tun Sie?

Antwort: Neben der Anamnese, der klinischen Untersuchung ist in diesem Falle eine Sonographie gegebenenfalls eine Mammographie, MRT bzw. Feinnadelpunktion der Mamma angeraten.

Was ist die wahrscheinlichste Diagnose?

Antwort: Ein Fibroadenom. Es ist der häufigste Mammatumor, insbesondere zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Er ist meist 1-2 cm groß und am häufigsten in den oberen Quadranten lokalisiert. Das Wachstum ist östrogenabhängig, deshalb kommt es während der Schwangerschaft oft zu einer Größenzunahme. Auch ein multiples Auftreten ist möglich. Richtungsweisend ist hier der Ultraschall, der eine glatte Begrenzung und eine dorsale Schallverstärkung zeigen kann. Bei einer Patientin mit 19 Jahren und einem hochgradigen Verdacht auf ein Fibroadenom kann dieses belassen und kontrolliert werden. Ab einem Lebensalter von etwa 25-30 Jahren wäre bei einem solchen Befund eine chirurgische Exstirpation anzuraten.

Welche weiteren gutartige Mammatumore kennen Sie?

Antwort: Es gibt das so genannte intraduktale Papillom, dieses muss bei pathologischer Sekretion aus der Mamille ausgeschlossen werden. Diese Papillome gehen von den Gangepithelien aus und werden bis zu 3 cm groß. Bei Nachweis eines solchen Papilloms ist die operative Entfernung immer indiziert. Weiterhin sind Adenome als seltene Mammatumore bekannt. Sie sind allerdings sehr selten, deshalb ist ihre klinische Bedeutung gering. Weiterhin gibt es den so genannten Phylloidestumor. Er ist ebenfalls selten. Er ist größer als das Fibroadenom, nämlich bis zu 5 cm und bildet fingerartige Ausläufer in das umliegende Mammagewebe. Das biologische Spektrum reicht von benignen, über lokal rezidivierende bis zu maligne entartenden und metastasierenden Tumoren. Eine lymphogene Metastasierung ist selten. Eher tritt eine Lungenmetastasierung auf. Bedeutung hat der Phylloidestumor auch bei der chirurgischen Resektion. Durch seine Ausläufer in das umliegende Gewebe muss hier mit einem weiten Sicherheitsabstand extirpiert werden, da sonst die Gefahr des Lokalrezidivs besteht. Die Rezidivrate wird insgesamt bei benignen und malignen Phylloidestumoren mit etwa 20 % angegeben.

Es kommt eine 41-jährige Patientin mit einem knapp 2 cm großen palpablen Tumor in der rechten Brust zu Ihnen. Was veranlassen Sie?

Antwort: Zunächst erhebe ich die Anamnese, seit wann besteht der Tumor, hat er an Größe zugenommen, besteht eine Sekretion aus der Mamille oder bestehen Schmerzen? Ferner ist abzuklären ob eine familiäre Häufung in der Familie bekannt ist. Klinisch muss ich feststellen, ob es ein einzelner Knoten ist oder multiple Knoten sich in der Brust befinden, sind sie verschieblich oder druckschmerzhaft.

Welche Diagnostik veranlassen Sie?

Antwort: Als erste Maßnahme ist eine Sonographie und eine Mammographie indiziert. Möglicherweise kann diese ergänzt werden durch eine Feinnadelpunktion. Als neueres Verfahren kommt die Kernspintomographie in betracht. Hier lassen sich exzellente Ergebnisse hinsichtlich Sensitivität und Spezifität erreichen.

Wie sieht nun die Therapie aus? Die Diagnostik erhärtet den Verdacht auf ein singuläres Mammakarzinom mit der Größe von gut 1,5 cm.

Antwort: In jedem Fall ist hier eine Tumorektomie anzuraten. Prinzipiell ist bei dieser Größe eine brusterhaltende Therapie indiziert. In seltenen Fällen eines ungünstigen Verhältnisses zwischen Tumorgröße und Brustgröße, kann heute noch eine Mastektomie notwendig werden. Wichtig ist, dass der Knoten weit im Gesunden entfernt wird. Die Resektionsränder müssen auf jeden Fall markiert werden, um eine mögliche Nachresektion bei randständigem Tumor zu ermöglichen. Liegt ein invasives Mammakarzinom vor, müssen auch die Lymphabflussgebiete Level I und II der Axilla entfernt werden.

Was machen Sie, wenn der Tumor in der präoperativen Diagnostik zu sehen aber nicht zu tasten ist?

Antwort: Dann gibt es die Möglichkeit den Tumor entweder sonographisch, mammographisch oder im MRT mit einem Draht zu markieren. Dieser Draht ermöglicht es dem Operateur intraoperativ den Tumor zu identifizieren und im Gesunden zu resezieren.

Es kommt eine Patientin, 45 Jahre, zu Ihnen mit einem 4 cm großen Mammakarzinom. Welche Therapie empfehlen Sie?

Antwort: In diesem Falle wäre eine neoadjuvante Chemotherapie anzuraten. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass eine neoadjuvante Chemotherapie zu einer höheren Rate an brusterhaltenden Operationen, einem verlängerten rezidivfreien Überleben und vermutlich zu einer verlängerten Gesamtüberlebensdauer führt.

Ist eine Bestrahlung nach brusterhaltender Therapie eines Mammakarzinoms zu empfehlen?

Antwort: Bei brusterhaltender Therapie muss eine Radiatio postoperativ durchgeführt werden.

Wann besteht heute noch die Indikation zur Mastektomie?

Antwort: Sie ist heute insgesamt selten geworden, da die Tumorektomie, Lymphadenektomie und Radiato postoperativ onkologisch ausreichend ist. Dennoch gilt es einige Fälle, bei denen eine Mastektomie auch heute noch indiziert ist.

Hierzu zählen:

das Innenbrustrezidiv bei operiertem Mammakarzinom nach brusterhaltender Therapie das multifokale Mammakarzinom in mindestens zwei Quadranten das große Mammakarzinom. Hier gibt es weniger eine absolute Größe, als mehr die Relation zwischen Tumor und Brustgröße. Dies betrifft Patienten mit oder ohne neoadjuvante Radiochemotherapie das große inflammatorische Mammakarzinom mit oder ohne neoadjuvanter Radiochemotherapie bei Nachweis des BRCA1-Genes. Hier wird die bds. prophylaktische Mastektomie empfohlen Kontraindikation gegen eine Radiatio

Worin ist die familiäre Prädisposition beim Mammakarzinom begründet?

Antwort: Es sind bislang zwei Prädispositions-Gene beim Mammakarzinom gefunden worden. Das BRCA1 (Breast-Cancer) auf Chromosom 17 und das BRCA2 auf Chromosom 13. Bei molekulargenetisch nachgewiesener Mutation des BRCA1-Genes kann heute die beidseitige Mastektomie mit Brustaufbau als Prophylaxe empfohlen werden. Anzumerken ist auch, dass das Vorliegen eines BRCA1-Genes zu einer erhöhten Inzidenz des Ovarialkarzinoms führt.

Welches sind weitere Risikofaktoren für das Mammakarzinom?

Antwort: Menopause nach dem 55. Lebensjahr, Nulliparität, Adipositas in der Postmenopause, Menarche vor dem 12. Lebensjahr, 1. Kind nach dem 35. Lebensjahr, Mastopathie Grad III mit Zellatypien, positive Familienanamnese bei Mutter oder Schwester, Zustand nach Mammakarzinomoperation.

Wie beurteilen Sie den Stellenwert der so genannten sentinel-node Entfernung im Vergleich zur konventionellen axillären Lymphadenektomie?

Antwort: Anstelle der axillären Lymphknotenentfernung Level I und II, kann man heute alternativ den so genannten Wächterlymphknoten (sentinel-node) entweder mit einem Farbstoff, z. B. Methylenblau, oder durch 99Technetium radioaktiv markiertes Humanalbuminkolloid anfärben. Der sentinel-node lässt sich in großen Serien in 86-97 % der Fälle anfärben. Die Aufarbeitung dieses Lymphknotens soll dann den gleichen Informationsgehalt geben wie die konventionelle axilläre Lymphadenektomie. Beide Vorgehen sind heute akzeptabel. Die Entfernung des sentinel-node beim Mammakarzinom ist heute tägliche Routine und wird auch von den meisten Fachgesellschaften akzeptiert. Allerdings existiert hierzu nur eine einzige prospektiv randomisierte Studie, die keine onkologische Langzeitsicherheit beweist.

Wie sieht die adjuvante Therapie nach erfolgreicher Entfernung des Mammakarzinoms aus?

Antwort: Das Therapiekonzept hängt vom axillären Lymphknotenstatus, dem Rezeptorstatus, den Prognosefaktoren und dem Alter der Patientin d. h. prä- bzw. postmenopausalem Zustand ab. Sind die axillären Lymphknoten nicht befallen, wird in der Prämenopause (jünger als 50 Jahre) bei ausschließlich günstigen Prognosefaktoren keine adjuvante Therapie empfohlen. Liegt mehr als ein ungünstiger Prognosefaktor vor, wird eine adjuvante Therapie in Studien empfohlen. In der Postmenopause (älter als 50 Jahre) bei günstigen Prognosefaktoren wird keine Therapie empfohlen, liegt mehr als ein ungünstiger Prognosefaktor vor, wird bei positiven Hormonrezeptorstatus Tamoxifen empfohlen. Sind die axillären Lymphknoten befallen, wird in der Prämenopause (jünger als 50 Jahre) unabhängig vom Hormonrezeptorstatus eine adjuvante Therapie in Studien empfohlen. In der Postmenopause (älter als 50 Jahre) bei hormonrezeptorpositiven Tumoren Tamoxifen, bei hormonrezeptornegativen Befunden eine adjuvante Therapie in Studien.

Es kommt eine Mitte 50-jährige Patientin, die über ein Ekzem im Bereich der Brust berichtet. Tatsächlich liegt aber kein Ekzem vor. Woran denken Sie?

Antwort: In diesem Fall muss ich an einen Morbus Paget denken. Dies ist ein Adenokarzinom der Haut, ausgehend von den Drüsengängen der apokrinen Hautdrüsen. Häufig tritt er im Bereich der Mamma auf, ist aber auch im Bereich der Axilla, am Oberschenkel, am Gesäß, im Genital- oder Analbereich möglich. Beweisend ist hier die Histologie. Die Therapie der Wahl ist die Exzision in toto. Beim Befall der Mamma die Mastektomie mit axillärer Lymphadenenktomie.

Welches sind die Kontraindikationen zur brusterhaltenden Therapie?

Antwort: Eine intakte Schwangerschaft, zwei oder mehr invasive Karzinome in zwei verschiedenen Quadranten der Brust, ein inflammatorisches Mammakarzinom oder eine vorausgegangene Radiatio der Brust wegen einer anderen Erkrankung.

Gibt es das Mammakarzinom auch beim Mann?

Antwort: Ja, das Mammakarzinom beim Mann umfasst ca. 2 % aller Mammakarzinome, Therapie ist hier die Ablatio mammae mit axillärer Lymphknotendissektion.

Prof. Dr. med. P M. Markus

Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Unfallchirurgie · Elisabeth-Krankenhaus

Moltkestr. 61

45138 Essen

Phone: 02 01/8 97 33 01/02

Fax: 02 01/8 97 33 09

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