Viszeralchirurgie 2005; 40(3): 155-156
DOI: 10.1055/s-2005-836543
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Warum kalte Knoten der Schilddrüse punktieren, wenn ohnehin operiert wird?

Vorbemerkung zur Arbeit Sheu, S.-Y. et al. über den intraoperativen Gefrierschnitt von SchilddrüsenknotenIs Fine Needle Aspiration Biopsy of Cold Thyroid Nodules Necessary, if Thyroid Surgery is Anyway Performed?K. W. Schmid1 , R. A. Wahl2
  • 1Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Essen
  • 2Chirurgische Klinik, Bürgerhospital Frankfurt am Main
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Publication Date:
03 June 2005 (online)

Untersuchungsmethoden, die von der Natur vorgegebene Problemgebiete aufweisen, werden gerne als insgesamt nutzlos und überflüssig eingestuft. Der Umstand, dass die Feinnadelaspirationszytologie (FNA) der Schilddrüse nicht in der Lage sein kann, follikuläre Adenome von minimalinvasiven (gekapselten) follikulären Karzinomen zu unterscheiden, hat dazu geführt, dass bei der Chirurgie kalter (solitärer oder multipler) Knoten wieder zunehmend auf die Durchführung der in den Leitlinien geforderten präoperativen FNA verzichtet wird. Die FNA ist nach wie vor die verlässlichste diagnostische Methode zur präoperativen Evaluierung von Knoten der Schilddrüse und ist allen bildgebenden Verfahren diesbezüglich überlegen. Sie ist kosteneffektiv und bietet in der Metaanalyse eine Sensitivität von 83 % und eine Spezifität von 92 % [1] [2]. In den USA war der konsequente Einsatz der FNA so erfolgreich, dass sich die Zahl der chirurgischen Eingriffe um ca. 50 % reduziert hat, der Anteil der Karzinome im Operationsgut jedoch verdoppelt hat - ein Effekt, den wir schon in einer frühen Studie der 70er-Jahre im eigenen Krankengut festgestellt hatten [3].

Das Ziel des klinischen Managements von Schilddrüsenknoten (solitär oder multinodös) muss sowohl das Vermeiden unnötiger Operationen, als auch eine klare Operationsindikation mit einer der individuellen Situation angepassten Operationsstrategie sein. Um einerseits eine von vornherein planbare onkologische Radikalität unter Vermeidung eines Zweiteingriffes zu erreichen als auch andererseits einen unnötigen Funktionsverlust durch eine zu ausgedehnte Operation zu vermeiden, sollte das Ausschöpfen aller verfügbaren präoperativen Diagnosemaßnahmen als obligat angesehen werden. Auch wenn eine abschließende Dignitätsbestimmung bei (gekapselten) follikulären Neoplasien in der FNA (wie auch in der Gefrierschnittuntersuchung) nicht möglich ist, ist keine andere präoperative Methode mit derartiger Treffsicherheit in der Lage, Knoten als maligne oder malignitätsverdächtig im Sinne eines papillären oder medullären Karzinoms auch bei klinisch unauffälligem Befund zu erkennen, wie auch andererseits kalte Knoten als sicher benigne einzustufen. Im Endemiegebiet werden 10 bis 30 % aller technisch verwertbaren FNA als histologisch abklärungsbedürftige follikuläre Neoplasien eingestuft; 10 bis 30 % der Letzteren sind schlussendlich Malignome. Die Anwendung der präoperativen FNA, mit daraus abgeleiteter Operationsstrategie unter Einbeziehung des intraoperativen Gefrierschnitts führt nach unserer Meinung zu den bestmöglichen Ergebnissen (s. dazu den folgenden Übersichtsartikel zur intraoperativen Gefrierschnittuntersuchung von Sheu et al. [4]).

Wir betrachten die präoperative FNA der Schilddrüse, gegebenenfalls auch der vergrößerten Lymphknoten, als ein unverzichtbares Instrumentarium zur Abklärung von Schilddrüsenknoten, unabhängig davon, ob aufgrund des klinischen Befundes und der sonographischen Konstellation die Operationsindikation schon gestellt ist. Es liegt im Interesse von Patienten und Chirurgen, von vornherein die bestmögliche Operationsstrategie zeitgerecht und ohne Verzögerung anwenden zu können, wie z. B. die einzeitige Radikaloperation bei klar positiver Zytologie. In Zentren mit einem hohen Aufkommen von Schilddrüsenoperationen und entsprechend längeren Wartefristen schützt zudem der zweifelhafte, verdächtige oder positive zytologische Befund vor schädlicher Verzögerung dringlicher Operationen.

Schlüsselbotschaft: Die Feinnadelaspirationszytologie (FNA) des „kalten”, solitären oder dominierenden Knotens dient

zur Indikationsstellung bei klinisch unverdächtigem Befund (zusammen mit der Sonographie), wobei die Punktion erforderlichenfalls ultraschallgesteuert durchgeführt werden sollte), zur Beurteilung der Dringlichkeit der Operation und zur zeitgerechten Terminplanung, zur Wahl der bestmöglichen Operationsstrategie (radikal, funktionserhaltend, unter Einbeziehung oder mit Verzicht auf intraoperativen Gefrierschnitt).

Literatur

  • 1 Droese M. Punktionszytologie der Schilddrüse. Atlas und Handbuch. Bilinguale Auflage. Schattauer-Verlag, Stuttgart, New York 1995
  • 2 Tötsch M, Quadbeck B, Görges R, Schmid K W. Präoperative Punktionszytologie beim Schilddrüsenkarzinom.  Onkologe. 2005;  11 40-49
  • 3 Heinrich S, Tschahargane C, Wahl R A. Zur Stellung der Feinnadelaspiration der Schilddrüse im chirurgischen Krankengut eines Strumaendemiegebietes.  Therapiewoche. 1980;  30 6405-6408
  • 4 Sheu S-Y, Frilling A, Betzler M, Peitsch W, Schmid K W. Der intraoperative Gefrierschnitt von Schilddrüsenknoten. Indikation - Verlässlichkeit - Grenzen.  Viszeralchirurgie. 2005;  40 174-179

Univ.-Prof. K. W. Schmid

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