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DOI: 10.1055/s-2004-862399
Skapholunäre Dissoziation – Traumafolge oder kongenitale Störung?
An unserer Klinik beschäftigen wir uns seit 1985 mit der Diagnostik und Therapie der skapholunären Dissoziation. Mit zunehmenden Erkenntnissen, die sich aus der konsequenten Durchführung von Arthroskopie und Kinematographie in fraglichen Fällen einer skapholunären Dissoziation ergeben haben, stießen wir immer wieder auf Befunde, aus denen sich die Frage ergab, inwieweit es sich beim Vorliegen einer skapholunären Instabilität um eine Traumafolge, also eine Bandruptur – vergleichbar anderen Bandrupturen –, handelt oder ob kongenitale Faktoren nicht sogar entscheidend bei der Entstehung der Instabilität beteiligt sind.
Retrospektiv wurden die Daten von 960 Röntgenkinematographien beider Handgelenke und über 800 Arthroskopien aus den Jahren 1988 bis 2003 aufgearbeitet.
Hierbei zeigten sich bei 323 Patienten Störungen des skapholunären Bandapparates, die von einer dynamischen bzw. statischen Insuffizienz bis zum Vollbild der Dissoziation mit dem klassischen Klick-Phänomen reichten.
Etwa 1/3 der Patienten kamen mit der Verdachtsdiagnose zur weiteren Diagnostik, bei etwa 2/3 der Patienten wurde die Diagnose erst nach Arthroskopie und Kinematographie gestellt.
Nur bei 35 Patienten konnte ein eindeutiges, adäquates, meist hochenergetisches Rotations-Trauma als Ursache der SL-Dissoziation zugeordnet werden. Ausnahmslos bestand hier eine unilaterale Schädigung. Bei allen anderen Fällen zeigte auch die Gegenseite eine mehr oder weniger ausgeprägte Störung.
Eine nicht unerhebliche Zahl von Patienten wurde uns mit der Diagnose SL-Dissoziation zugewiesen, welche sich auf die konventionelle Röntgendiagnostik bezog. Sowohl bei der Arthroskopie wie Kinematographie konnte die Diagnose nicht bestätigt werden. Auch fand sich in der Regel zumindest eine beidseitige SL-Laxität.
Eine weitere Patientengruppe wurde unter der Diagnose einer „frischen“ SL-Dissoziation erfasst.
In der einen Gruppe fand sich in der Anamnese jedoch als Ursache ein aktuelles Bagatelltrauma, welches eine derartige Störung als eher unwahrscheinlich erscheinen ließ. Die Kinematik zeigte eine bereits fixierte Gefügestörung der Handwurzel, meist mit Zeichen der beginnenden Arthrose der betroffenen Seite und ausnahmslos eine Störung auch auf der Gegenseite. Im arthroskopischen Befund ließen sich weder makroskopisch noch histologisch Zeichen einer frischen Verletzung nachweisen.
In der zweiten Gruppe handelte es sich um Patienten, bei denen bei einseitiger Röntgen-Diagnostik nach einem Distorsionstrauma ein erheblich erweiterter SL-Spalt aufgefallen war. Arthroskopisch zeigte sich typischerweise ein schlaffer, laxer SL-Komplex; die Kinematographie bestätigte auch hier die beidseitige SL-Laxität.
Eine kleine Gruppe von 9 Patienten, die wir prospektiv nachverfolgten, zeigte nach einem akuten Trauma in der Arthroskopie einen subtotalen Defekt des SL-Bandes. Überraschenderweise zeigte sich in der Kinematographie ein annähernd normales Bewegungsverhalten, welches sich im Nachbeobachtungszeitraum von bis zu 4 Jahren nicht veränderte.
Zusammen mit den Langzeitergebnissen unserer Nachuntersuchung nach SL-Bandplastik sind aus der Analyse folgende Hypothesen abzuleiten:
Es ist möglich, dass sich unter der Diagnose SL-Instabilität zwei verschiedene Krankheitsbilder verbergen; die akute traumatische Bandschädigung und die chronische Instabilität, welche sich auf dem Boden einer kongenitalen Bandschwäche entwickelt.
Eine Beteiligung der extrinsischen Bandsysteme am Vollbild der Instabilität scheint wahrscheinlich und für die Prognose nach Rekonstruktionen von Bedeutung.
Unilateralität spricht eher für eine traumatische Läsion.
Im Hinblick auf die Therapie sollten zur Abgrenzung neben der statischen Diagnostik immer die dynamische Untersuchung und Arthroskopie erfolgen.
Eine Klassifikation im Hinblick auf eine Differenzialtherapie sollte die dynamische Situation des Karpus und vorhandene Schädigungszeichen berücksichtigen.