Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2004; 39 - V4
DOI: 10.1055/s-2004-837338

Neuentwicklung eines Diagnosegeräts zur Messung komplexer Muskelkontraktionen des Menschen

N Rahe-Meyer 1, M Winterhalter 1, D Remmers 1, M Groß 1, D Scheinichen 1, J Zuk 1, M Leuwer 2, S Piepenbrock 1
  • 1Hannover
  • 2Liverpool

Fragestellung: Die klinische Diagnostik der Muskelfunktionen von Patienten – z.B. von Intensivpatienten mit der so genannten critical-illness-Polyneuropathie – ist bisher praktisch nicht gelungen. Untersuchung der Kontraktionsfähigkeit beschränken sich bisher auf die reine Kraft – allerdings sind selbst diese Untersuchungen mit großen methodischen Problemen behaftet. Der größere Anteil der mechanischen Leistungsfähigkeit des Muskels mit realen Verkürzungen und Bewegungen konnte bislang in vivo nicht wissenschaftlich untersucht werden. Dahinter steckt die technische Problematik, dass dazu Gegenkräfte auf den Muskel ausgeübt werden müssten, die auch während der Beschleunigungsphasen der Kontraktion konstant bleiben. Ziel war es daher, eine Vorrichtung mit masse- und berührungsfreier Last zu entwickeln, mit deren Hilfe definierte komplexe Kontraktionen erzeugt und untersucht werden können.

Material und Methoden: Die Untersuchungen werden in vivo am Musculus adductor pollicis des Menschen durchgeführt. Ein eigenentwickelter, international patentierter Versuchsaufbau ermöglicht es, Extremitäten unterschiedlicher Probanden wiederholbar zu fixieren und Muskelverkürzungen gezielt zu begrenzen. Der zuführende Nerv wird über ein programmierbares Reizgerät nichtinvasiv supramaximal erregt. Zur Messung werden acht elektrische und mechanische Messsensoren gleichzeitig eingesetzt.

Ergebnisse: Kernstück der hier vorgestellten Neuentwicklung ist eine berührungsfrei arbeitende elektromagnetische Krafteinheit, die den Muskel unter massefreie Vor- und Nachlasten setzen kann, die unabhängig von dem Verkürzungs-, Geschwindigkeits- oder Beschleunigungszustand des Muskels konstant gehalten werden können. Je nach Anwendung kann diese Krafteinheit als Tauchspulensystem oder als Unipolarmaschine (Hall-Motor) ausgeführt sein. Des Weiteren ist ein stufenlos verstellbarer Unterstützungsanschlag entwickelt worden, der schwebend um die Apparateachse angebracht ist. Mit ihm kann die Vordehnung des Muskels begrenzt und können gemischt isometrisch-isotonische Kontraktionen erzeugt werden. Schlussfolgerungen: Mit der hier beschriebenen Neuentwicklung kann es zum ersten Mal gelingen, die volle Leistungsfähigkeit der kontraktilen Proteine und deren Wechselwirkung mit anderen zellulären Strukturen – serien- und parallelelastischen – quantitativ zu beschreiben. Komplexe Aspekte der Muskelfunktion wie Geschwindigkeit, Beschleunigung, Arbeitsfähigkeit und Leistungsfähigkeit werden der wissenschaftlich-klinischen Muskeldiagnostik z.B. bei Intensivpatienten zugänglich gemacht.