Aktuelle Dermatologie 2004; 30 - V19
DOI: 10.1055/s-2004-835989

Calcineurin-Inhibitoren bei Kindern

M Meurer 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Dermatologie der TU Dresden

Die atopische Dermatitis (AD) beginnt bei 45% der betroffenen Kinder in den ersten 6 Lebensmonaten, bei 60% im 1. Lebensjahr und bei mind. 85% innerhalb der ersten 5 Lebensjahre. Die Klinik der atopischen Dermatitis im Säuglingsalter ist durch großflächige Erytheme und sogar Ödeme, häufig mit exsudativen und verkrusteten Sekundäreffloreszenzen auf betroffener Haut gekennzeichnet. Die Sebostase ist meist generalisiert und ausgeprägt. Erst zu Ende des 1. Lebensjahres entwickeln sich die typischen Beugeekzeme, während die Windelregion typischerweise ausgespart bleibt. In der späteren Kindheit und bei Jugendlichen lässt die Neigung zur Exsudation und Generalisation nach und im Vordergrund stehen hier erythematosquamöse, z.T. auch lichenifizierte, mäßig scharf umschriebene Areale im Bereich der Gelenkbeugen, an den Händen, Füßen, Handgelenken und – mit zunehmendem Alter – auch im Gesicht, vor allem perioral und periorbital. Die bakterielle Superinfektion dieser Ekzemherde mit Staphylokokken ist in diesem Alter besonders häufig. Die intermittierende Therapie mit topischen Kortikosteroiden der Wirkstoffklasse I oder II führt bei fachgerechter Anwendung in der Regel zu einer schnellen Linderung der Krankheitssymptome und lokale Steroidnebenwirkungen sind bei zeitbegrenzter Behandlung eher nicht zu erwarten. Die in vielen Fällen unbegründete Angst von Eltern vor Steroidnebenwirkungen führt allerdings nicht selten zu einer Unterbehandlung der Kinder mit Gefahr einer Chronifizierung des atopischen Ekzems. Neue Untersuchungen weisen darauf hin, dass, gerade bei Kindern, eine chronische, ekzem-bedingte Schädigung der Hautbarriere, die Sensibilisierung durch aerogene Allergene wie Hausstaubmilben und Pollen fördern und dadurch die Entwicklung einer Rhinitis allergica und sogar des Asthma bronchiale induzieren kann. Frühzeitig einsetzbare Therapieschemata mit Steriodalternativen sind daher gerade im Langzeitmanagement der atopischen Dermatitis bei Kindern notwendig. Calcineurin-Inhibitoren, die im Gegensatz zu Kortikosteroiden weder Auswirkungen auf die Hautdicke noch auf die Kollagensynthese haben, sind dafür besonders bei Kindern geeignete Kandidaten. Die derzeit in Deutschland erhältlichen Calcineurin-Inhibitoren Pimecrolimus und Tacrolimus sind für die intermittierende Langzeitbehandlung der mittelschweren bis schweren (Tacrolimus 0,03% Salbe) bzw. leichten bis mittelschweren (Pimecrolimus 1% Creme) Formen des atopischen Ekzems bei Kindern allerdings erst ab 2 Jahren zugelassen. Mehrere randomisierte, doppelblinde und vehikelkontrollierte klinische Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass auch betroffene Säuglinge und Kleinkinder im Alter von 3 bis 23 Monaten von dieser Therapie profitieren können. Für Pimecrolimus 1% Creme ist in diesem Lebensalter eine statistisch signifikante Abnahme des Juckreizes bereits ab dem 2. Behandlungstag nachgewiesen worden, die nicht zuletzt auch längere Durchschlafzeiten ermöglicht. Zur Langzeitanwendung bei Säuglingen und Kleinkindern liegen ebenfalls Ergebnisse von kontrollierten Studien mit Pimecrolimus 1% Creme und Tacrolimus 0,03% Salbe vor. Sie zeigen, dass die relativ rasch eintretende klinische Wirkung beider Präparate sowie die erzielbare Juckreizlinderung auch unter Langzeitanwendung mit kontinuierlicher Besserungstendenz erhalten bleibt und – wie für Pimecrolimus 1% Creme gezeigt wurde -, bei Kindern aller Altersgruppen eine signifikante Reduktion der Ekzemschübe und des Steroidverbrauches unter Langzeitanwendung ermöglicht. Vorteilhaft gegenüber der Steroidapplikation ist gerade bei Kindern die unbedenkliche Anwendungsmöglichkeit im Gesicht und Halsbereich, in den Gelenkbeugen, aber auch großflächig am gesamten Integument ohne dass eine systemische Absorbtion mit Entstehung immunsuppressiv wirksamer Blutspiegel zu befürchten ist. Über ein meist nur kurzfristiges Brennen an der Auftragsstelle wird unter Tacrolimus 0,03% Salbe etwas häufiger als bei Pimecrolimus 1% Creme berichtet; bei fast allen Kindern ist die Verträglichkeit hingegen in der Langzeitbehandlung sehr gut. Ein erhöhtes Risiko von bakteriellen, mykologischen oder viralen Hautinfektionen ist bei Langzeitanwendung von Calcineurin-Inhibitoren in den klinischen Studien nicht nachgewiesen worden. Kommt es jedoch zu einer Herpes simplex- oder anderen Hautinfektion, sollten die betroffenen Areale bis zur Abheilung nicht behandelt werden. Gleiches gilt für Impfstellen an der Haut, wenngleich umfangreiche Untersuchungen gezeigt haben, dass die durch Impfung erzielbaren Antikörpertiter bei langfristig mit Calcineurin-Inhibitoren behandelten Kindern nicht von denen bei unbehandelten Kindern abweichen. Die Frage nach den möglichen Zusammenhang einer langfristigen Calcineurin-Inhibitor-Anwendung im Kindesalter und einem erhöhtem Hautkrebsrisiko im Erwachsenenalter kann infolge noch fehlender prospektiver Studiendaten nicht schlüssig beantwortet werden, obwohl tierexperimentelle Untersuchungen keine Hinweise auf eine erhöhte Photokarzinogenität der topischen Calcineurin-Inhibitoren gegeben haben. Generell gelten die Empfehlungen für einen vernünftigen und wirksamen Sonnenschutz durch Kleidung und geeignete Sonnenschutzpräparate auch für diejenigen Kinder mit atopischen Dermatitis, die intermittierend mit Calcineurin-Inhibitoren behandelt werden.