Z Gastroenterol 2004; 42 - 66
DOI: 10.1055/s-2004-835817

Lebensbedrohliche Komplikationen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

W Huber 1, W Reindl 1, A Umgelter 1, F Eckel 1, RM Schmid 1
  • 1II. Medizinische Klinik, Klinikum Rechts der Isar, Technische Universität München

Hintergrund: M. Crohn und Colitis ulcerosa weisen eine Prävalenz von jeweils ca. 50/100 000 auf. Typischer Erkrankungs-Beginn ist zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Entgegen früherer Daten ist die Lebenserwartung der Patienten mit CED mittlerweile normal. Dennoch wird weiterhin kasuistisch über lebensbedrohliche und z.T. tödliche Komplikationen von CED berichtet. Systematische Daten zu diesem Thema liegen allerdings nicht vor.

Fragestellung, Material und Methoden: Ziel unserer Untersuchung war es daher, Indikation, Verlauf und Prognose von Patienten zu evaluieren, die wegen Komplikationen einer CED auf eine gastroenterologische Intensivstation aufgenommen wurden. Hierzu erfolgte eine Analyse von Patienten-Daten der Jahre 1991–2003 (1991–1997 retrospektiv, seither prospektiv).

Ergebnisse: Die Inzidenz von Intensiv-Aufnahmen wegen Komplikationen der CED war mit 42 von 4919 konsekutiven ICU-Aufnahmen (0,9%) unerwartet hoch. Das Alter bei Aufnahme lag mit 44,5±17,6 Jahren ebenfalls höher als erwartet; am häufigsten wurden Patienten in der 4. Dekade aufgenommen (33% der Patienten). Die Verlaufsdauer der CED war auffallend kurz, bei 41% unter drei Jahren, durchschnittlich 7,8±7,2 Jahre. Die durchschnittliche Verweilzeit auf der ICU betrug 11,4 Tage (1 bis 120 Tage).

Die Ursachen der ICU-Aufnahme verteilten sich auf 4 Gruppen:

  • Komplikation der Grunderkrankung wie schwere Blutung (18 Patienten; bis zu 33 Erythrocyten-Konzentrate), Elektrolyt-Entgleisung (16 Patienten; 1x Kammerflimmern bei Hypokaliämie) und (Sub-)Ileus (3 Patienten).

  • Thromboembolische Komplikationen: 10 Patienten, davon 6×Bein-Venen-Thrombose, 2×arterieller Verschluss, 2×Lungen-Embolie). Bemerkenswerterweise führte die Vollheparinisierung bei 6 dieser 10 Patienten zu einer Verschlechterung der Grunderkrankung, so dass das Konzept der Antikoagulation als Therapie der CED angezweifelt werden muss.

  • Septische Komplikationen: 15 Patienten, davon ZVK-Infektionen (7 Patienten), Pneumonien (4 Patienten, u.a. PCP unter Azathioprin bei TPMT-Defizienz; Pilzpneumonie mit Multiorganversagen unter Infliximab und Azathioprin), Cholangiosepsis (2 Patienten), Ileocoekal-Abscesse (2 Patienten).

  • Varia: 10 Patienten, darunter 2x erfolgreiche i.v. Cyclosporin-Therapie bei fulminanter Colitis in der Schwangerschaft, 2x Nierenversagen bei Amyloidose, 2x Komplikationen des Kurzdarm-Syndroms.

Die Mortalität war mit 1/42 (2,4%) erfreulich gering.

Zusammenfassung: Trotz mittlerweile normaler Lebenserwartung treten bei Patienten mit CED lebensbedrohliche Komplikationen der Grund-Erkrankung auf. Ursächlich handelt es sich dabei im wesentlichen um gastrointestinale Komplikationen, thromboembolische Erkrankungen und Sepsis. Das Risiko schwerer Komplikationen ist dabei in den ersten drei Jahren der CED offenbar am höchsten. Die annähernd gleiche Häufigkeit von Komplikationen der Grunderkrankung und Nebenwirkungen der immunsuppressiven Therapie verdeutlicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Risiko-Nutzen-Abwägung und einer entsprechenden Patienten-Aufklärung. Ein positiver Effekt der Heparin-Therapie auf den Verlauf der CED konnte bei keinem Patienten beobachtet werden. Die Gesamtletalität ist bei entsprechender Überwachung, Diagnostik und Therapie sowie interdisziplinärer Zusammenarbeit offenbar gering.