Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P566
DOI: 10.1055/s-2004-833429

Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung mit disseminierter Encephalomyelopathie – Kreuzreaktion einer Immunreaktion gegen defektes Myelin?

J Lewerenz 1, U Finckh 1, X Ding 1, W Friedl 1, A Kohlschütter 1, A Münchau 1
  • 1(Hamburg, Bonn)

Bei der Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung (CMT) kommt es aufgrund von Mutationen in Genen verschiedener Myelinproteine zu einem defekthaften Aufbau des peripheren Myelins und auch zu axonaler Degeneration. Eventuell durch die Myelininstabilität und daraus folgende chronische Resorptionsvorgänge kann offenbar unabhängig davon, welches Gen die Mutation trägt, eine Immunreaktion gegen peripheres Myelin getriggert werden. Diese kann sich klinisch als sekundäre entzündliche Neuropathie mit schubförmigen Verschlechterung der Nervenfunktion präsentieren.

Wir berichten von vier Fällen mit einer hereditären Neuropathie mit assoziierter disseminierter Encephalomyelopathie. Hierbei handelt es sich um einen Patienten mit einer CMT1a aufgrund einer PMP22-Duplikation, einen Patienten mit einer CMT1b auf dem Boden einer Mutation im Myelinprotein 0-Gen und eine Patientin mit einer CMTx bei Mutation im Connexin-32 kodierenden Gen. Bei der vierten Patientin liegt eine hereditäre gemischt axonale-demyelinisierende Neuropathie mit zentraler Beteiligung ohne bisher bekannte Mutation vor. Der Patient mit der CMT1b, die Patientin mit CMTx und die mit der bisher unbekannten Mutation zeigten im MRT im zerebralen Marklager multiple, disseminierte Signalveränderungen, die denen einer multiplen Sklerose ähneln, während der Patient mit der CMT1a nach einem Unfall, der mit multiplen Nervenquetschungen einherging, eine ausgedehnte flächige Leukencephalopathie entwickelte. Drei der vier Patienten entwickelten kognitive Einschränkungen. Schubförmige neurologische Ausfälle in Form von Optikusneuritiden, Hirnstammsyndromen und einer Hemiparese traten bei den beiden weiblichen Patienten auf. Bei dem Patienten mit der CMT1b wurde wiederholt eine erhöhte Zellzahl im Liquor und bei der Patientin mit der bisher nicht bekannten Mutation eine intrathekale Immunglobulin-Synthese festgestellt. Bei dem Patienten mit der CMT1b und dem Patientin mit der CMTx ist auch die Neuropathie im Vergleich zu betroffenen Verwandten deutliche stärker ausgeprägt.

Die beschrieben vier Fälle legen nahe, dass es bei der CMT unabhängig von der Art der Mutation nicht nur zu einer sekundären entzündlichen Neuropathie, sondern auch zu einer Kreuzimmunreaktion gegen das zentrale Myelin kommen kann. Das klinische Spektrum ist hierbei breit. Die Krankheit kann ähnlich wie eine multiple Sklerose verlaufen.