Pneumologie 2005; 59(5): 309-310
DOI: 10.1055/s-2004-830293
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Und sie kommt doch: Molekularbiologisch orientierte Therapie des Lungenkarzinoms

It is Still Coming: Molecular-Targeted Therapy of Lung CancerR.  M.  Huber1 , F.  Gamarra1
  • 1Pneumologie, Klinikum der Universität München - Innenstadt
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Publication Date:
18 May 2005 (online)

In den letzten zwei Jahren ist die molekulare, zielgerichtete Therapie auch des Lungenkarzinoms zu einem der wichtigsten aktuellen Themen geworden [1]. Damit gemeint ist der Einsatz von neuen Therapiekonzepten, die als Folge der molekularen Forschung, der Aufklärung verschiedener molekularer Prozessen bei der Entstehung und Wachstum von Tumoren, entwickelt wurden. Die Arbeit von J. R. Fischer u. Mitarb. in dieser Ausgabe der Pneumologie [2] gibt uns eine gute Übersicht über die Rolle des epithelialen Wachstumsfaktorrezeptors EGFR, dessen Inhibierung und die Chance, damit eine echte Alternative zur Therapie des Lungenkarzinoms zu haben. Zudem zeigen die Autoren an drei Patientenbeispielen, wie der Einsatz des EGFR-Inhibitors Gefitinib (Iressa®) den Verlauf einer weit fortgeschrittenen Tumorerkrankung auf eine durchaus beeindruckenden Weise günstig beeinflussen konnte.

Der Leser, der die fachliche Diskussion der letzten Monaten um die EGFR-Inhibitoren verfolgt hat, wird aber einwenden, dass die neuesten Entwicklungen eher einen Schatten über diese Therapie geworfen haben. Die INTACT-1 und INTACT-2 Phase III-Studien [3] [4] verglichen die Wirkung einer Kombination aus Gefitinib und Chemotherapeutika (Cisplatin/Gemcitabine bzw. Paclitaxel/Carboplatin) gegen Chemotherapie alleine bei Patienten mit metastasiertem nicht kleinzelligen Lungenkarzinom. Beide Studien konnten keinen Vorteil der kombinierten Therapie bezüglich Überleben, Ansprechrate oder Zeit bis zur Tumorprogression nachweisen. Eine bis vor kurzem durchgeführte Phase III-Studie, bei der der Überlebensvorteil von Gefitinib gegenüber best supportive care in der Rezidivtherapie untersucht wurde, hat nach den ersten Analysen keinen Vorteil der Gefitinib-Gruppe zeigen können.

Warum besteht aber immer noch ein Interesse an der Inhibition des EGFR-Rezeptors?

Es gibt verschiedene Argumente, die den Einsatz dieser Therapie unterstützen: z. B. der Zusammenhang zwischen der Expression des EGFR in Tumoren und deren Prognose, der möglicherweise auch für das nicht kleinzellige Lungenkarzinom besteht [5], oder die Hoffnung, Patientensubgruppen zu bestimmen, die besonders gut auf diese Therapie ansprechen könnten. Es gibt erste Hinweise darauf, dass nicht rauchende Patienten, Patienten mit Adenokarzinom oder bronchoalveolärem Karzinom der Lunge und Patienten, deren Tumore bestimmte Mutationen des EGF-Rezeptors aufweisen, besonders gut auf die Therapie mit EGFR-Inhibitoren, z. B. Gefitinib ansprechen könnten [6]. Die Patienten, die von J. R. Fischer u. Mitarb. vorgestellt werden, hatten in der Tat Adenokarzinome und waren Nichtraucher bzw. hatten bereits länger nicht geraucht. Bei diesen Patienten wurde außerdem Gefitinib als Monotherapie beim Tumorrezidiv verabreicht, in Anlehnung an die IDEAL-Studie, die einen positiven Effekt vom Gefitinib gezeigt hatte [7]. Des Weiteren konnte eine zweite Substanz - Erlotinib (Tarceva®), die die Tyrosinkinase des EGF-Rezeptors hemmt - einen Überlebensvorteil in der Rezidivsituation des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms gegenüber best supportive care zeigen [8].

Es sollte aber auch darauf hingewiesen werden, dass bestimmte Patientensubpopulationen besonders schlecht oder gar nicht auf EGFR-Inhibitoren ansprechen könnten. EGFR-Mutationen, die Gefitinib- oder Erlotinib-resistent sind, wurden bereits identifiziert [9] [10]. Des Weiteren muss die Interaktion mit den anderen Therapieformen des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms systematisch untersucht werden.

Die Arbeit von J. R. Fischer u. Mitarb. belebt die Diskussion um die Zukunft der EGFR-Inhibitor-Therapie des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms. Sie sollte aber nicht als Aufforderung verstanden werden, Patienten mit diesen Substanzen unkritisch zu behandeln, auch wenn sie die o. g. Kriterien erfüllen. Die molekularbiologisch begründete Therapie wird unser Therapiearsenal in naher Zukunft erweitern. Die derzeitige Datenlage ist aber noch nicht ausreichend, um einen Einsatz von EGFR-Inhibitoren beim Lungenkarzinom außerhalb kontrollierter Bedingungen zu begründen.

Literatur

  • 1 Huber R M, Stratakis D F. Molecular Oncology - Perspectives in Lung Cancer.  Lung Cancer. 2004;  45 Suppl 2 209-213
  • 2 Fischer J R, Haffner U, Dietrich G. et al . Drittlinientherapie mit Gefitinib beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom.  Pneumologie. 2005;  59 321-327
  • 3 Herbst R S, Giaccone G, Schiller J H. et al . Gefitinib in Combination With Paclitaxel and Carboplatin in Advanced Non-Small-Cell Lung Cancer: a Phase III Trial-INTACT 2.  J Clin Oncol. 1-3-2004;  22 (5) 785-794
  • 4 Giaccone G, Herbst R S, Manegold C. et al . Gefitinib in Combination With Gemcitabine and Cisplatin in Advanced Non-Small-Cell Lung Cancer: a Phase III Trial-INTACT 1.  J Clin Oncol. 1-3-2004;  22 (5) 777-784
  • 5 Meert A P, Martin B, Delmotte P. et al . The Role of EGF-R Expression on Patient Survival in Lung Cancer: a Systematic Review With Meta-Analysis.  Eur Respir J. 2002;  20 (4) 975-981
  • 6 Kim K S, Jeong J Y, Kim Y C. et al . Predictors of the Response to Gefitinib in Refractory Non-Small Cell Lung Cancer.  Clin Cancer Res. 15-3-2005;  11 (6) 2244-2251
  • 7 Fukuoka M, Yano S, Giaccone G. et al . Multi-Institutional Randomized Phase II Trial of Gefitinib for Previously Treated Patients With Advanced Non-Small-Cell Lung Cancer (The IDEAL 1 Trial) [Corrected].  J Clin Oncol. 15-6-2003;  21 (12) 2237-2246
  • 8 Shepherd F A, Pereira J, Ciuleanu T E. et al . A randomized placebo-controlled trial of Erlotinib in patients with advanced non-small cell lung cancer (NSCLC) following failure of 1st line or 2nd line chemotherapy. A National Cancer Institute of Canada Clinical Trials Group (NCIC CTG) trial.  Proc ASCO. 2004;  23 (Abst. 7022)
  • 9 Kobayashi S, Boggon T J, Dayaram T. et al . EGFR Mutation and Resistance of Non-Small-Cell Lung Cancer to Gefitinib.  N Engl J Med. 24-2-2005;  352 (8) 786-792
  • 10 Pao W, Miller V A, Politi K A. et al . Acquired Resistance of Lung Adenocarcinomas to Gefitinib or Erlotinib Is Associated With a Second Mutation in the EGFR Kinase Domain.  PLoS Med. 2005;  2 (3) e73

Prof. Dr. med. Rudolf M. Huber

Pneumologie · Klinikum der Universität München - Innenstadt

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